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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Editor]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 4.1902

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Rheinisches Kunstleben
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https://doi.org/10.11588/diglit.49103#0090
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wichtiges Ereignis bilden. Die einheimische Kunst wird
mit einer stattlichen Reihe von Künstlern vertreten sein;
einzelne davon in Kollektionen. Aus der Privatgalerie
eines Münchener Herrn Thomas Knorr werden über 30
ausgesuchte Meisterwerke von Böcklin, Lenbach, Leibi,
Liebermann, Langhammer, Claus Meyer, Segantini, Stuck,
Uhde u. a. m. die Ausstellung zieren. Böcklin, Thoma,
Leibi und besonders Segantini werden sehr reichhaltig
vertreten sein. Aus den belgischen und englischen
Kollektionen seien Josef und Alfred Stevens, Courtens,
Jacob Smits, Verhaeren, Leempoels, Khnopff und die Eng-
länder Shannon, Muhrmann, Walter Crane, Sullivan
genannt; von sonstigen Ausländern vorläufig Besnard
und Zulooga . . . Die Münchener Gruppe „Die Scholle“
wird geschlossen auftreten . . . Ein besonderer Reiz der
Ausstellung wird in den vielen Beiträgen aus Privatbesitz
liegen, welche das Beschauen von Kunstwerken ermög-
lichen, die bisher nur Wenigen zugänglich waren. — Das
Ausstellungsgebäude selbst, von dem hier schon öfters
genannten Friedrich Ratzel in lichten grossen Tönen
erbaut, auf dem freundlichen Festhalleplatz gelegen, wird
mit der schlichten Vornehmheit seiner Räume eine an-
sprechende Fassung für die Kunstwerke sein, deren
Sammlung in den Händen Dills liegt. Es wird in einem
besonderen Artikel des schönen Unternehmens seiner
Zeit ausführlich gedacht werden. —
An Konzerten möchte ich den Liederabend des
ausgezeichneten Johannes Meschaert hervorheben, der
u. a. die Dichterliebe von Schumann-Heine hervorragend
Stil- und gefühlsgerecht sang — und die Darbietungen des
Joachim-Quartetts, die besonders in einem Beethoven-
schen Quartett jubelnde Begeisterung hervorriefen (beide
in der Konzertserie Hans Schmid). Herr Wein gärtner
hat ein Abschiedskonzert des Kaim-Orchesters veranstaltet,
das grossen Beifall fand; ein Abschied fürs Leben wird’s
ja wohl nicht gewesen sein. . . . Derartige Mätzchen
scheinen jetzt Mode zu werden; neulich las ich von einem
„Versöhnungskonzert“ eines Geigenspielers, der hier zu
einem früheren Konzert einmal nicht erschienen war . . .
Solche Scherze sollte man lieber unterlassen und das
Publikum sollte eigentlich dafür quittieren. Aber das
Publikum — du lieber Gott! — Unsere Hoftheater-
leitung, die so gerne bereit ist, Ausstellungen an ihrer
Thätigkeit mit hochgezogenen Augenbrauen von sich zu
weisen oder mit kleinlichen Massregelungen zu vergelten,
hat die schon für Januar pomphaft angekündigte Don J uan-
Neueinstudierung „eingetretenerHindernisse halber“
wiederum verschoben. Was Himmel können das für
geheimnisvolle „Hindernisse“ sein? Etwa Schwierigkeiten
in der Besetzung der weiblichen Rollen? . . . Nun, viel-
leicht wird der Don Juan bis zum Grossherzogs-Jubiläum
fertig. „Geduldig seid, und gebt mir gute Worte!“ heisst’s
in Richard III. Albert Geiger.

MANNHEIM. Schulbauten. — Vogeler-Worpswede.
Die seit etwa fünfzehn Jahren sich vollziehende, fast
allzu stürmische Entwicklung und Ausdehnung unserer
Stadt scheint nun einem ruhigeren, organischeren Wachsen
Platz machen zu sollen. Die letzten statistischen Aus-
weise zeigen kein so sprungweises Aufwärtsschnellen der
Zahlen mehr, wie die verwichenen Jahre, aber doch ein
Zunehmen im Bevölkerungswachstum, in der Ausdehnung,
im Verkehr und in den Beziehungen der Industrie und
des Handels. Die Konjunkturalpolitiker, die in den letzten
Phasen von amerikanischen Entwickelungszuständen zu
träumen begannen und mit ihnen zu rechnen liebten,
werden gut thun, ihren Schaumwein mit Wasser zu
verdünnen; auch wenn die „wirtschaftliche Depression“
überwunden sein wird, ist an einen Aufschwung im Tempo
des letzten Jahrzehnts nicht wieder so leicht zu denken.
Die mehr als sanguinischen Temperamentsausbrüche des
Rheinpfälzers, die den fast frivolen Satz geprägt haben:
Uns kanns nicht misslingen! sind durch mehr als eine
Thatsache dahin korrigiert worden, dass nicht gerade
alles gelingen muss.

VII

Das verflossene Jahrhundert hat unserer Stadt in
allem und jeglichem fast uneingeschränkt seine volle
Gunst zugewandt. Wenn wir bedenken, dass vor hundert
Jahren Mannheim 19000 Einwohner zählte, dass es inner-
halb 30 Jahren seine Bevölkerungsziffer verdoppelte und
jetzt in der Nähe von 150000 steht, dann hat man wohl
das Recht, vor den virtuellen Möglichkeiten der inne-
wohnenden und von aussen mitwirkenden Kräfte allen
Respekt zu haben. Seit Mannheim aus einer verlassenen
und verfallenden Fürstenresidenz eine der bedeutendsten
Industriestädte Deutschlands und die grösste Handelsstadt
Süddeutschlands geworden ist, haben sich seine sämtlichen
innern und äussern Verhältnisse erneuert. Unvergleichlich
grossartige Hafenanlagen staatlichen und communalen
Besitzes, ein sorgfältig ausgebautes System an Verkehrs-
mitteln, ein solid fundiertes Bankwesen haben Mannheims
kommerzielles Wachstum gefördert und befestigt.
Neuerdings zeigt sich auch auf dem Gebiet des
Schulwesens eine ungemeine Rührigkeit. Vielleicht keine
Stadt Deutschlands hat in den letzten zehn Jahren pro-
zentual so viel für Schulen aufgewendet, wie Mannheim.
Alle drei Mittelschulen — Gymnasium, Realgymnasium
und Oberrealschule — haben mächtige Neubauten erhalten
müssen. Die kolossalen Gebäude für Volksschulen
wachsen in den verschiedenen Stadtvierteln wie die Pilze
aus der Erde. Technische Fachschulen, wie Gewerbe-
und Ingenieurschule, haben sehr starken Zugang. Eben
ist eine viel besprochene städtische Handelsschule vom
Bürgerausschuss genehmigt worden; sie wird nach Ostern
mit über 1000 Schülern und etwa 24 Lehrkräften ihren
Anfang nehmen. Auf dem Gebiet des Mädchenschul-
wesens herrscht fieberhaftes Organisationsbestreben. Über
diese geschäftige Handels- und Industriestadt ist etwas
wie ein Rausch in Unterrichtsdingen gekommen. Den
retrospektiven Betrachter kann fast eine leise Sorge be-
schleichen, ob denn bei dieser Hast und Eilfertigkeit nicht
am Besten der Schule, die, richtig aufgefasst, ein so
unendlich subtiler Organismus ist, gesündigt wird. Treib-
hausgewächse kommen selten zu schöner Reife.
Das ganz aus staatlichen Mitteln erbaute Gymnasium
ist ein Backsteinbau von durchaus einfacher, nach aussen
anspruchsloser Gestaltung. Die Inneneinrichtung wird
als technisch, pädagogisch und hygienisch einwandfrei
bezeichnet. Aus Mitteln ehemaliger Schüler ist einiger
Innenschmuck gestiftet worden, darunter drei herrliche
dekorative Treppenhausfenster — mit Akropolis, Kapitol
und Wartburg als den drei Pfeilern des gymnasialen
Unterrichtsbetriebs — nach Entwürfen von O. Eckmann.
Die städtische Verwaltung, die innerhalb zehn Jahren
zwei riesige Bauwerke zu Zwecken der ausserordentlich
rasch und stark sich bevölkernden Oberrealschule (gegen-
wärtig mit über 850 Schülern die grösste Mittelschule
Badens) und des Realgymnasiums zu erstellen hatte, war
bei beiden Gebäuden darauf bedacht, ebenso sehr den
nüchternen Eindruck von Schulkasernen als auch den
von Schulpalästen zu vermeiden.
Der jetzige Realgymnasialbau am Friedrichsring fällt
mit seinen starken Formen leicht in die Augen und
erfreut durch ein prächtiges Treppenhaus, überaus lichte,
luftige Unterrichtsräume, sowie einen herrlichen, kuppel-
überdeckten Bibliotheksaal und eine geräumige Aula. Im
ganzen sind es 32 Schulräume. Der Voranschlag betrug
725000 M. Trotz dieses hohen Aufwandes für innere
und äussere Ausstattung sind hier noch nicht alle An-
forderungen an Zweckmässigkeit erfüllt worden.
In weit grösserem Masse gelang dies bei dem jüngsten
Bau. Das mächtige Oberrealschulgebäude mit seinen 68
Räumen entspricht bezüglich des Stiles dem typischen
Charakter der Mannheimer Bauten aus der guten älteren
Zeit. Die monumentale, massiv in hellem Sandstein aus-
geführte Fassade mit 21 Fenstern Breite zeigt gefällige
Formen zwischen Barock und Rokoko. Plastischer Schmuck
ziert den Mittelrisalit. Das geräumige und lichte Treppen-
haus wird leider durch „im Prinzip beschlossene“ Glas-
malereien beeinträchtigt werden. Die hellen, luftigen
Gänge und die Schulzimmer sind mit (in den verschiedenen

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