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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 5.1902/​1903

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Heft 2
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Frey-Moock, Adolf: Aus A. Böcklins Urteilen
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https://doi.org/10.11588/diglit.45536#0116

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und das Berunterreifsen der Kritiker. Böcklin
ertrug das besser.
Beide empkngen den ersten Lukm aus den
Bänden der Künstler und Liebkaber. Kritiker
und Kunstkistoriker kaben vor ibren Werken
lange eine trübselige Ligur gemackt. lVlan bat
die Zeitstimmen über einige unserer Klassiker
gesammelt; ein „Böcklin irn Orteile seiner Zeit-
genossen" wäre mindestens ebenso interessant.*
Ob ibn einmal, wie B. lVlendelsokn bericktet
(3. 220), der Oedanke an die Kritik von einer
Übersiedelung nacb Berlin abbielt, vermag icb
nicbt 2U sagen. 80 viel stekt fest, dass sie ikm
übel mitspielte und dass er in späteren ^akren,
als seine Lkre dnrck alle Welt klang, gegen
gedrucktes Lob und gedruckten l'adel fast un-
glaublicb gleicbgültig geworden war. Lin Lreund
teilte ikm mit, ein namkafter Kunstsckriftsteller
kabe in einer Zeitsckrilt einen rükmenden ^uf-
sat2 über ibn veröKentlickt, und mackte sick
2ugleicb ankeisckig, das betreffende Beft 2U
senden oder näckstens mitr-ubringen. Oa leknte
er ab: „Ls interessiert mick nickt. Ick weils
sckon, wann ick geboren bin."
Lr blieb dabei, dafs Kunstkistoriker und Kunst-
kritiker alle nickts verständen, ^usnakmen liefs
er freilick gelten, wenn auck spärlicke. Von
Ludwig Blau sprack er mit Anerkennung, von
Oottlried 8empers 8ckriften mit Bockacktung.
Mit Oottsried Keller kielt er ^ede Kritik für
unnütz, da ein Kunstwerk, gleickgültig welcker
^rt, für sick selber sprecken müsse. Lr ging
aber nock weiter, er kielt sie für sckädkck, weil
sie unter Umständen den Künstler an der Aus-
bildung seiner Ligenart bindere, ^eder wakrkafte
Künstler, meinte er, antworte der Kritik durck
stärkere Betonung seiner Ligenart. Lr bewunderte
und beneidete die 8cköpferin Batur, weil sie
gegen Kritik völlig unempkndlick sei, worin
übrigens die Hervorragendsten unter den Künst-
lern die gröfste ^.knlickkeit mit ikr Zeigten. Wie
genau und wie leidensckaftslos zugleick er dieses
l'kema durckgedackt batte, beweist seine feine
Bemerkung, dals die ^ufleknung gegen die 8ug-
gestion des Künstlers einen der feinsten Leise
des ästketiscken Qenusses bilde und, wie die
8töfse der Kritik, unbewufst die Ausprägung der
künstleriscken Lersönlickkeit fördere.**
Ledet man von Böcklins Verkältnis su den
Kunstkistorikern, so drängt sick unwillkürlick
der Bame des grölsten unter iknen auf, der
Bame ^sakob Burckkardts. Wie gerne vermutet
und träumt man — und träumt namentlick der
Kunstkistoriker — ein sckönes und dauerndes
Verkältnis der Zwei, das durck ^lter, Abstam-
mung, Qeistesricktung und 8innesart ermöglickt,
^a geboten sckien, ein weckseiweises Bekmen
* Oie wenigen Seiten in Msnäsisokns „Löeklin" snt-
lralten nur ein paar ^näsutun^sn.
** Maurice v. Stern irn „Lsibiatt äsr St. Petersburger

und Oeben. Oie Wirklickkeit ist, dals die an-
fänglicke Lreundsckaft erkaltete und krack und
dals diese Beiden unversöknt die Lrde verlassen
kaben.
Line so kleine 8tadt wie Basel konnte swei
so überaus stark geprägte Iräger ikrer ^.rt und
ikres Oeistes fast gleick^eitig kervorbringen. ^.ber
sie vermockte sie auf die Oauer in dem engen
Zwinger nickt lriedlick beisammen ?u bebaken.
Lür eine ankaltende Lintrackt waren einige Ligen-
sckaken der 2wei IVlänner 2U äknlick, Ligen-
sckaken, welcke die Lreundsckaft überkaupt be-
droken. Beide waren eigenwillig bis 2ur Bart-
köpkgkeit, das iknen Widerstrebende sckroif
ableknend, von einem fast unbändigen Onab-
kängigkeitsgeist erfüllt und äufserst reizbar, Burck-
kardt überdies so unbereckenbar, dafs er sick
^eden Augenblick verstimmt und verletzt abkekren
konnte. Oie ungekeure 8ub^ektivität, die der Line
in die Kunst, der ändere in die Kunstbetrack-
tung gelegt Kat, forderte ikr Leckt natürlick auck
in persönlicken Oingen.
Oiese ent^ündlicken Llemente vermockte ein
Lünkcken in Brand 2u stecken.
Ls ist betrübend, aber lekrreick: der alte
Widerstreit swiscken Künstler und Kunstgelekr-
ten Kat die Beiden entzweit, Bickt tkeoretiscke
IVleinungsversckiedenkeiten und Lrörterungen
kaben sie gesckieden, auck nickt die für Böck-
kn unangenekme Wakrnekmung, dafs Burck-
kardt 2U viel verneine,* sondern der Wunsck
des Oelekrten, dem lVlaler ein bilscken die Band
2U fükren und ein wenig in seinem Belt 2U
korrigieren. Oie Lresken im l'reppenkaus des
Basler Museums krackten sie auseinander. Burck-
kardt wünsckte dieses und ^enes anders, und
Böcklin widersetr-te sick, der es immer bereut
Kat und damals sckon bereute, dafs er sick durck
das gewicktige Zureden des Lreundes vom ur-
sprüngkcken Lntwurk des Bildes „lVlagdalenens
trauer" batte abbringen lassen.
Ls ist selbstverständkck, dafs Burckkardt die
Lresken Böcklins nickt durckaus bekagten und
dafs ibn das Verlakren des Malers, der monu-
mentale Aufgaben wesentlick mit koloristiscken
lVlitteln lösen wollte, etwas seltsam anmutete.
Ls ist ferner begreifkck, dafs er als lVlitgked der
begutacktenden und entsckeidenden Kommission
nickt 2u allen teilen der von Böcklin eingereick-
ten Lntwürle ^a und ^men sagen mockte. Lr
verglick ikn im Oeist mit den grofsen Oinyue-
centisten und mit Lukens, und der Vergleick
Konnte unmöglick ?u Böcklins Ounsten ausfallen.
Oas ^.usscklaggebende war: er batte lVluster
im Kopfe, ^.uck dieser erlauckte Oeist war nickt
lrei von der Lrbsünde der Litterarkistoriker und
Kunstkistoriker und — das sei der Oerecktigkeit
und Wakrkeit kalber kin-ugeset-t — so ^iemlick

* V. 8a1is: Lirinnsruugen an ^rnolci Löclcliu. Lasier
^abrbucb 1902.

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