Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Hinweis: Ihre bisherige Sitzung ist abgelaufen. Sie arbeiten in einer neuen Sitzung weiter.
Metadaten

Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 5.1902/​1903

DOI Heft:
Heft 4
DOI Artikel:
Bloem, Walter: Das Wupperthal und seine Dichter
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.45536#0241

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Vas ^Vuppertiial und seine vielter.
Von Walter Lloem.

2wiscben langgedebnten Lügelsäumen ein-
gebettet liegt clie merkwürdige Doppelstadt
Llberfeld - Lärmen, für den Lremden ununter-
scbeidbar verbunden durcb örtlicbe Dage, Le-
bauung nncl Verkebr, wäbrend das ^.uge lies
Linbeimiscben eine sonst unsicbtbare cbinesiscbe
lVlauer ernennt, welcbe clie 8cbwesterstädte
scbier unübersteiglicb trennt. Diese gebeimnis-
volle 8cbeidewand rnbt auf einern gleicbfalls
unsicbtbaren, aber soliclen Lundament: das ist
die 8pracb- nncl 8tammesgren?e ^wiscken (lern
fränkiscben und niedersäcbsiscben Volks- und
IVlundartgebiet, ein Lundament, das irn Ansturm
der weiten bie und da abgebröckelt, aber nocb
nicbt erscbüttert worden ist.
Lier ans cler 8pracb- nncl Oeistesscbeide
^wiscben Lbeinland nncl Westfalen scbabt das
bergiscbe Volk; in Dugenden nncl Reblern ver-
einigt es clie ^.rt cles säcbsiscken nncl fränkiscben
8tammss. Westfäliscber l'rot? nncl rkeiniscbes
l'emperament, säcbsisebe Biederkeit und frän-
kiscbe Debenslust iniscben sieb irn 8okne der
Lerge. Die 8pracbe scbattiert sieb von cler
nnverlälsebten 8—ckinkenspracbe der lVlilsper
Oegend nacb Westen binüber irnrner clentlicker
ins bliederrbeiniscbe; Ortscbaften, clie wenige
Kilometer voneinander getrennt sind, Zeigen clern
8pracbkenner clentlicbe Lesonderbeiten in clieser
Licbtung, bente nocb, nngeacbtet cles lebbakten
Verkebrs, cler sie verbindet.
Dieses starke, feurige nncl differenzierte
lVliscblingsvolk ist seit alters ein Volk cles
Oebets nncl cler Arbeit. Die gerneinssrne In-
brunst clieser Letbätigungen niilclert clie 8cbrokf-
beit sozialer Oegensät^e un<l scbafft eine clas
bergiscbe Volk in allen seinen 8cbicbten durcb-
clringencle 8tirnrnung festen Debensernstes, cler
clie Welt als eine 8tätte barten Frondienstes
uncl ^islbewufster Vorbereitung auf jenseitige
Lerrlicbkeit erfafst. Diese Orundstimmung bnclet
ibren sinnenfälligen Ausdruck in clern ragenden
Oewimmel von Lircbtürmsn und 8cbornsteinen,
das über die scbwär^licben Läusermassen der
Wupperstädte emporstarrt und sicb tief in die
grünen Lergtbäler binein verliert, arn 8aurne der
blinkenden Waldbäcbe binanxiebt und sicb auf
den böcbsten Lergkuppen 2u neuen 8tädten
voller Oewerbtbätigkeit verdicktet.
Dafs inmitten so barter und nücbterner
lVlensckenart wenig Baum bleibe für die Lllege
geistiger liebenswerte, — soweit sie nicbt unter
den engeren Begriff der geistlicben Oüter
fallen —, ist ?u verrnuten. >^ber wenn dieser
reicbbegabte bergiscbe Volksstarnrn seine gan?e
Energie so einseitig in der Bicbtung rnaterieller
Arbeit entwickelte, so regte sicb dennocb irnrner
wieder in seiner IVlitte die 8ebnsucbt nacb

einein leicbteren Dasein, und so Karn es, dafs
dies bergiscbe Dand und dies verscbrieene
Wuppertbal eine Boetengeneration nacb der
andern bervortrieb.
^ber darauf ist das bergiscbe Dand, gestebn
wir's nur, niemals besonders stolx gewesen. Das
bergiscbe Dand, und narnentbcb das Wuppertbal
batte sicb urn wicbtigere Dinge 2u kürnrnern
als urn Beimereien und Beimer. Die Arbeit
und aberrnals die Arbeit, das Oescbäft und
abermals das Oescbäkt, der Brwerb und abermals
der Brwerb — Zanella, Länder, Lordeln, Ditzen
— das waren die Dole, um die das Deben der
Wupperstädte kreiste. Kind die Dicbter? Wenn's
galt, Beste 2u feiern, und man Brologe oder
Testspiele braucbte, dann erinnerte man sicb
der merkwürdigen Deute, welcbe die brotlose
Kunst des Versemackens betrieben und dank-
barlicbst solcbe Oelegenbeit ergriffen, sicb einmal
bemerkbar ?u macben. 8onst aber? ^cb, wirk-
licb, es gab Wicbtigeres, um das man sicb 2u
kümmern batte.
80 sind denn die Wuppertbaler Dicbter
immer lVlärt^rer gewesen, und man bat sie nur
gelten lassen, wenn und soweit sie in dem regen
und blübenden Erwerbsleben des lokales eine
bürgerlicke 8tellung batten. Allenfalls 2ur Leier
secb^igster und siebzigster Oeburtstage, bei Be-
gräbnisfeiern und Denkmalserricbtungen bat man
sicb erinnert und sicb ?u einer bescbeidenen
Ovation sufgerakft . . . ^ber Kämpfen, leiden,
sicb verbluten oder versumpfen und verdämmern
baben die Wuppertbaler Dicbter 2U allen weiten
dürfen, gans allein, und keines lVledicäers Oüte
läcbelte solcbem Duldertum. Wollte aber gar
ein 8obn des Ibales, dem Dämon in seinem
Lernen vertrauend, auf das Becbt des Künstlers
^nsprucb macben, anders 2u leben, anders ?u
sein, als all die Blaklbürger um ibn berum —
dann begegnete ibm ^.cbsel^ucken und Köpfe-
scbütteln, eisige Oleicbgültigkeit oder oben 2ur
8cbau getragene Veracbtung, wenn nicbt gar
^elotiscber Lsfs — und für diese Haltung der
Oesamtbeit bildete böcbstens die teilnebmende
Diebe eines engen Lreundeskrsises einen leider
wenig einllulsreicben Brsat^.
^Iso, ebrlicb gesagt, es ist kein beiteres
Bild, das sicb entrollt, wenn wir die Dicbter
des Wuppertbals und ikr menscblicbes und
künstleriscbes 8cbicksal überscbauen. Bür wabre
Kunst, für wabre Künstler war in der 2eit, die
wir betracbten wollen, im Wuppertbale kein
D1at2. Ob's beute anders ist? O gewils, das
Wuppertbal ist beute nicbt obne geistige Inter-
essen. ^Iles, was sicb durcbgeset^t bat auf
dem Oebiete namentlicb der Musik, aber auck
der lVIalerei, bndet ein Dublikum. ^ber die

176
 
Annotationen