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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 6.1903

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Deiters, Heinrich: Wanderung in Westfalen
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https://doi.org/10.11588/diglit.45537#0249

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Blüten entfaltete, von denen sich noch ein
großer Teil bis in unsere Tage erhalten hat.
Soest bietet die Erinnerung an edlen und
stolzen Bürgersinn, der in der Soester Fehde,
den Kämpfen gegen den bedrückenden Erzbischof
von Köln grossartig hervortrat. Dort hat sich
die Festigkeit und Ausdauer des Westfalen in
seltenster Weise erprobt. Die gepriesenen Werke
der Baukunst treten uns in der Wiesenkirche
und Patrokluskirche entgegen, und die Werke
der Soester Malerschule sind in weiten Landen
berühmt. Meister Aldegrever hat hier gewirkt,
dessen Stiche, gleich groß durch ihre Kunst
wie durch die treue Schilderung der Kultur, be-
sonders des Bürgerstandes des 16. Jahrhunderts,
wir heute in den Sammlungen bewundern.
Von Soest erzählt uns auch Simplizissimus
aus den schweren Tagen des Dreißigjährigen
Krieges. Seine abenteuerlichen Erzählungen füh-
ren uns in die südlich von der Stadt sanft ab-
fallenden Waldberge des Sauerlandes mit ihren
zahlreichen Tropfsteinhöhlen. Die Episode von
den aufgefundenen Schätzen an Gold- und Silber-
geschirr gibt uns einen Anhaltspunkt über das
Verbleiben der Schätze, die sich in den Schlössern
der Edelleute befanden und deren Verlust ich
bei der Nennung von Schnellenberg erwähnt
habe.
In Kriegsläuften wurden Geld und Kostbar-
keiten versteckt, und dazu boten die verborgenen
Höhlen die geeignetsten Stellen. Früher nur durch
kleine Löcher zugänglich, hat man die bedeuten-
deren erst in der zweiten Hälfte des verssossenen
Jahrhunderts entdeckt und aufgeschlossen.
Viele sind ja noch heute nicht bekannt, aber
von ihrer Größe und Bedeutung geben die

Mühle zu Dülmen.
Nach einem Bild von August Schlüter.


Bauernhaus von 1613 in Neesen.
Aufnahme Baurat Ludorsf.
(Bau- und Kunstdenkmäler in Westsalen.)
Dechenhöhle bei Letmathe und die größere und
wechselvollere Bilsteinhöhle bei Warstein, zu
denen heute Tausende pilgern, ein Zeugnis.
Bei der Ausdehnung des Kalksteingebirges,
das sich bis zum Rheine hinzieht, ist noch man-
cher wichtige Fund zu erwarten, und es ist noch
nicht ausgeschlossen, daß sich in diesen tiefen
Felsenhöhlen, deren es ja im Felsenmeere bei
Sundwig noch ein ganzes Netz gibt, auch noch
verborgene Schätze finden.
Sicherere Schätze aber birgt die Grafschaft
Mark durch den jahrhundertealten Gewerb-
sseiß ihrer Bewohner. Sie verstanden nicht
nur, den Bergwerken die Schätze des Erdinnern
zu entlocken, sondern machten auch über der
Erde die Kräfte des Wassers dem
Menschen dienstbar für die Verarbei-
tung der Metalle. Sie führten schon
seit Jahrhunderten die Erzeugnisse ihrer
Arbeitstüchtigkeit in alle Länder. Und
als die Gewerktätigkeit stieg, als die
Anforderungen an die Arbeitskräste
wuchsen, gab ihnen die Erfindung der
Dampfmaschine neue Anregung, in die
Erde hinabzusteigen, um die Urkraft
herauszuholen, durch die man das
Wasser zu ausgiebigerer Dienstbarkeit
bezwang, die Steinkohle. Was diese
Naturschätze seit einem Jahrhundert im
Dienste menschlichen Geistes und aus-
dauernden Fleißes errungen haben, steht
auf einem andern Blatte. Das beste
Zeugnis geben die unter diesem Zeichen
aufgeblühten Städte, die so gewachsen
sind, daß man nach ihrer Vergangen-
heit, nach ihrer Geschichte nicht mehr
fragt. Kein Land der Erde findet auf
einem so kleinen Flecke Landes eine
so enorme Menschentätigkeit, wie in
dem Gebiete, wo die Kohle gewonnen


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