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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 6.1903

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Lübke, Wilhelm: Westfälische Baukunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.45537#0271

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breiter Rundbogen die Obermauer des Schiffes
ruht. Von jeder dieser Stützen spannen sich
Kreuzgewölbe über das Seitenschiff hin. Um
indes für das gewöhnlich doppelt so breite
Mittelschiff entsprechende Gewölb-Abteilungen
zu gewinnen, verstärkte man mit Überschlagung
je einer Arkadenstütze die folgende durch einen
Pilaster, der sich oberhalb an der hohen Schiff-
mauer fortsetzte und zum Träger des Mittel-
schiffgewölbes wurde. Somit kamen auf je ein
mittleres Kreuzgewölbe je zwei kleinere für
jedes Seitenschiff. Diese Gewölbeinteilung be-
hielt man zunächst bei, veränderte aber, getrie-
ben von dem Wunsche, einfachere, gleich hohe
Räume zu gewinnen, die zwischengestellten bloß
der Arkadenverbindung und den Seitenschiff-
gewölben dienenden Stützen derart, daß man
sie zu gleicher Höhe mit den Trägern der Mittel-
schiffgewölbe emporzog. Hierdurch verlor die
Oberwand des Mittelschiffs die alte Höhe und
mit ihr die selbständige Beleuchtung, während
die Seitenschiffe an Höhe dem mittleren nahe
kamen und durch Vergrößerung oder Vermeh-
rung der Fenster eine reichere Lichtmasse dem
Innern zuführten.
Aber bei diesen Versuchen blieb man nicht
stehen. Andere Wege wurden betreten, die
schon zu einem entschiedeneren Verlassen der
Basilikenordnung führten. Man beseitigte nun-
mehr die zwischengestellten Arkadenstützen,
welche, ohne Bedeutung für das Gewölbe des
Mittelschiffs, die freie Durchsicht beeinträch-
tigten. Man gewann also auch nach dem Seiten-
schiff hin, anstatt der früheren zwei, einen ein-
zigen weit sich öffnenden Scheidbogen. Da-
gegen behielt man noch den Pilaster bei, der,
jener Arkadenstütze entsprechend, in der Mauer
des Seitenschiffs angeordnet war, und da mit
demselben auch die beiden auf ihm ruhenden
Schildbogen blieben, so entstand eine besondere
Schwierigkeit in der Aufgabe, den seitlichen
Raum so zu überwölben, daß die kleineren, nie-
drigeren Schildbogen mit jenem höheren, weiteren
Scheidbogen vermittelt wurden.
Gehörten die bisher besprochenen Formen
ausschließlich dem Münsterlande, sowie dem
zwischen Lippe und Ruhr sich erstreckenden
Gebiete an, so begegnet man anderen Konzep-
tionen im südlicheren Teile Westfalens, dem so-
genannten Sauerlande. Dies gebirgige, rauhe,
an Strecken selbst mäßiger Fruchtbarkeit arme
Land vermochte zwar nur in einfachster, ja
rohester Form seine Bauwerke herzustellen, über-
rascht aber auch seinerseits wieder durch eine
neue Kombination, die in konstruktiver Bezie-
hung einen Fortschritt gegen jene vorerwähnten
darstellt. Hier nämlich verließ man schon in
romanischer Zeit die quadratische Gewölbanlage
des Mittelschiffs, rückte die Gewölbträger des-
selben, kräftige Pfeiler mit vorgelegten Halb-
säulen, näher zusammen, hielt jedoch noch an


Dom zu Minden. Westansicht. Aufnahme Baurat Ludorff
der hergebrachten Schmalheit der Seitenschiffe
fest. Das Mittelschiff bekam wie gewöhnlich
Kreuzgewölbe; aber die Seitenschiffe wurden
durch Tonnengewölbe bedeckt, die, da ihre Achse
in der Querachse der Kirche liegt, der Länge nach
ausgespannt sind. Auch hier gewann man also
Gelegenheit, den Schub der mittleren Gewölbe
teilweise auf die Umfassungsmauern zu leiten,
während zugleich Stichkappen, die von den
Pfeilern und Pilastern ausgehen, den Seiten-
schub der Tonnengewölbe auf diese Stützpunkte
verteilten. Bemerkenswert ist, daß alle Bau-
werke dieser südlichem Gruppe durch unglaub-
liche Roheit, ja fast völligen Mangel an Orna-
mentierung sich von allen andern unterscheiden.
Diese geht so weit, daß die Pfeiler ohne alle
Deckplatte unmittelbar in die Gewölbgräten aus-
lausen, während die Halbsäulen nur so viel Deck-
platte und wunderlich rohes Kapitäl besitzen,
als unumgänglich erforderlich war, um den Über-
gang der kantigen Gurte in den halbrunden
Säulenstamm zu bewerkstelligen.
Nach so manchen vorbereitenden Schritten,
die indes nicht etwa in der von uns angenom-
menen Reihenfolge, sondern in freier Lebens-
regung gleichzeitig nebeneinander versucht wur-
den und allesamt als Ausssüsse des mächtig er-

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