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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 9.1905

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Nr. 2
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Kisa, Anton Carel: Die Externsteine
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https://doi.org/10.11588/diglit.26234#0089

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ie Lxternsteme.

von Or. Anton Risa.

Im Herzen Tvestfalens dehnen sich des Lipper-
landes waldige Höhenzüge, schwer und ernst. In
den Wipseln der mächtigen Aichen rauschen die
Eeister der Vorzeit. Durch das Dickicht des Buchen-
laubes stiehlt sich das Slitzern geheimnisvoller
Leiche und kristallklarer Bäche, in welchen sich scheue
Horellen tummeln. A)as könnte der llrwald er-
zählen! Ls bedarf nicht vieler Phantasie, um die
große Natur mit den Eestalten der germanischen
Heldenzeit zu beleben, kühnen Recken mit Hlügel-
helmen, die das unsehlbare Wurfbeil nach dem
Lber schleudern, den Bären mit dem wuchtigen
eschenen Zpieß angehen. Reine andere Gegend
Deutschlands atmet wie diese den Lrdgeruch hel-
discher Unberührtheit. Eern denkt man sich hier
den Lchauplatz des großen Sreiheitskampses, in
welchem Hermann der Lherusker sür Termanien
den Bieg erstritt und unser Volk von dem Lchicksal
aller anderen westeuropäischen rettete, mit der Hrei-
heit für immer auch sich selbst, seine Ligenart zu
verlieren. Terne denkt man, daß hier gerade die
unersättlichen Kranken llarls des Eroßen den hestig-
sten Mderstand sanden an der zähen llraft der
Lachsen Wittekinds.

Unweit des Ltädtchens Horn zieht sich die mitt-
lere llette des Teutoburger Waldes, die sogenannte
Lgge dahin, rundlich geformte Höhenrücken mit
schattigen Waldungen. Nur einer ist kahl, der llnick-
hagen. Nissige Selsen ragen aus ihm hervor, den
ßuß im Lrdboden eingebettet, acht an der Zahl.
Ihnen schließen sich in dichter Reihe süns andere
größere an, unerwartet aus dem flachen Boden
hervorwachsend, phantastisch, verblüstend, in aben-
teuerlichen Sestalten, durch tiefe Lpalten zerklüftet,
aus welchen Sarren und tzeidekraut, Lträucher und
selbst Bäume hervorwuchern, deren Samen der Wind
emporgetragen hatte. Der letzte der ßelsen badet
seinen §uß in der Mmbecke oder Lichtheupte, einem
Bache, der sich hier zu einem kleinen Lee staut, an
schönen Lommertagen belebt von bunten llähnen
mit lustigen Ausslüglern, die mit einem Llick in
der Richtung nach dem nahen Hermannsdenkmal
auf der 8rotenburg das schöne Lied anstimmen:
„Als die Römer frech geworden!" und dabei davon
überzeugt sind, sie allein hätten diesen guten Lin-
sall gehabt.

Ienseits des Zees setzt sich der Tebirgszug
weiter gegen Nordwest fort. Die Horm der ^elsen
erinnert an die der sog. Helsenstadt bei Adersbach
und Weckelsdors im 8latzer 8ebirge, an die Llb-
sandsteinfelsen, an die Teuselsmauer bei Blanken-
burg und die Hegensteine zwischen Kernrode und
Ballenstedt im Harz. Lie bestehen aus einem fein-
körnigen hellgrauen Landstein, den zahlreiche Adern
von Lisenocker durchziehcn. Ursprünglich mit Lrd-
reich bedeckt gleich den anderen Höhen der llette,
bilden sie heute die stehen gebliebenen Rippen eines

Die Lxternsteine.

von wasserfluten fortgespülten Gebirgsrückens.
„Wie nackte Trundsäulen der Lrde, von denen
das Tewand, welches andere Berge umhüllt, sort-
geschwemmt ist, stehen sie da, Iahrtausenden
trotzende Zeugen einer surchtbaren Lrdrevolution."

Diese merkwürdigen, dem Nlanderer aus dem
Waldesdunkel entgegentretenden Sebilde heißen die
Lxternsteine, was soviel wie Llsternsteine bedeutet
und von der niederdeutschen Bezeichnung Axter für
Llster abzuleiten ist. Zeit jeher haben sie die Aus-
merksamkeit gesesselt und die Phantasie mächtig er-
regt. Nanche Lage knüpft sich an den «Vrt, zumal
nicht nur die Natur, sondern auch Nenschenhände
tätig waren, ihn zu etwas Außerordentlichem zu
gestaltcn, zu einem Heiligtum. Zahlreiche Lchrift-
steller beschästigten sich mit ihm, darunter kein Ge-
ringerer als Goethe, welcher den Lxternsteinen
s82st einen besonderen Aussatz widmete. Lr ist
hierzu durch eine Nachbildung des Reliefs der
llreuzabnahme an den Felsen durch Lhristian
Rauch, „llöniglich preußischen tzosbildhauer", ver-
anlaßt worden.

Die meiste Learbeitung durch kllenschenhand
weist der äußerste und zugleich größte der Kelsen
aus, welcher sich etwa s25 ßuß hoch aus dem Teiche
erhebt, bei ungefähr gleicher Breite. Lein Inneres
ist von Grotten durchwühlt, sein Äußeres mit
allerlei Lkulpturen ausgestattet. An der Nordost-
seite tritt, weithin sichtbar, dicht vom Boden be-
ginnend, ein Lildwerk hervor, halb erhaben in den
leicht zu bearbeitenden lebendigen Hels gehauen,

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