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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 10.1905

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Nr. 8
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Schäfer, Wilhelm: J. Sattlers Zeichnungen zur Geschichte der Rheinischen Städtekultur
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https://doi.org/10.11588/diglit.26235#0067

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J. SATTLERS ZEICHNUNGEN ZUR GESCHICHTE DER
RHEINISCHEN STÄDTEKULTUR. Von w. schäfer.

Josef Sattler. Aus den Zeichnungen zur
Geschichte der rheinischen Städtekultur.
(Verlag J. A. Stargardt, Berlin.)

AN braucht nicht
gerade Rhein-
länder zu sein,
um sich zu
freuen, daß seit
kurzem Josef
Sattler kein Ber-
liner mehr ist.
Wieder in seine
Straßburger Hei-
mat zurückge-
kehrt, hat er sich
am Schiffsleut-
staden einge-
nistet, genau da,
wo jenseits der
jll über dem kühl-vornehmen Palais Rohan der
genial - phantastische Münsterturm, über der
Eleganz des Rokoko die Herrlichkeit der Gotik
aufragt. Hier ist ein sicherer Boden für seine
Kunst als in der Modernität Berlins.

Nun er wieder auf unserm Boden ist, er-
innern wir uns einer Ehrenschuld gegen das
Werk, welches seine Kunst am engsten mit
unserer rheinischen Heimat verbunden hat:
seine Zeichnungen zur „Geschichte der rhei-
nischen Städtekultur von den Anfängen bis zur
Gegenwart mit besonderer Berücksichtigung von
Worms“. Dieses vierbändige Werk, das im
Auftrag von Cornelius W. Freiherrn v. Heyl
zu Herrnsheim durch den Baseler Historiker
Heinrich Boos herausgegeben wurde, stellt an
dem Beispiel der Stadt Worms eine Entr
wicklung der rheinischen Städtekultur dar, in
der ausgesprochenen Absicht, durch eine An-

schauung der alten rheinischen Städtekultur

den bürgerlichen Sinn für die Aufgaben der
modernen Zeit anzuregen und zu stärken.

Nun soll es nicht die Aufgabe dieser Zeilen
sein, einen Zusammenhang zwischen solcher

Absicht und dem,
was wir in un-
serm Verband
der Kunstfreunde
und diesem sei-
nem Organ er-
streben, darzu-
legen: doch ver-
hehlen wir nicht
unsere Freude,
daß diese Mah-
nung an die Kul-
turarbeit des rhei-
nischen Bürger-
tums insofern zu
einer produktiven
Leistung wurde,

als sie einem rheinischen Künstler von großer
Kraft die Möglichkeit gab, auch auf seine
Weise eine Geschichte rheinischer Kultur zu
schreiben. Denn wie alle Archive und ihre
lebendigsten Verwertungen uns allein wenig für
die große Zeit der rheinischen Städte erwärmen
könnten, wenn nicht die Schönheit ihrer hinter-
lassenen Kunstwerke unsere Sinne und unser
Herz längst gewonnen hätte: so wird auch hier
die Absicht des weitblickenden Bürgers und die
Arbeit des Historikers unvergänglich gemacht
durch die Kunst Josef Sattlers.

Durch eine Fülle von Initialen, Kopf- und
Schlußstücken sowie vielen Vollbildern hat er
das umfängliche Werk illustriert; nicht illustriert
in der Art jener uns verächtlich gewordenen
Prachtwerke der letzten Jahrzehnte, sondern
im Sinn der alten Druckmeister, die, noch un-
bekannt mit den Erfindungen des „Tonschnittes“
und der Netzätzung, auf die derbe Schwarz-
weißwirkung des Linienschnittes angewiesen
waren und dadurch in der Einheit mit der
Type blieben.

Nun ist ja nicht zu leugnen, daß die Zeich-
nung Sattlers archaisiert, d. h., daß sie nicht
nur auf die alten Mittel, sondern auch auf die
alten Wirkungen zurückgeht; aber ihr eigen-
tümlicher Reiz liegt doch ganz in der modernen
Natur des Künstlers. Das wird in diesem
Werk besonders deutlich an den Zeichnungen
Sattlers, die völlig im Charakter der alten
Holzschnitte gearbeitet sind, indem sie gegen
seine freieren Arbeiten zurückstehen. Diese
verraten alle, ob sie aus dem Romanischen oder
aus der Biedermeierzeit ihre Motive holen,
einen dekorativen Geschmack, der durchaus
modern ist; ein Spottvogel könnte von dem
Hunnenblatt gar sagen, daß es Jugendstil sei.
Oder wer kann ein solches Blatt wie den
Bundschuh (S. 281) gegen eins von Dürer
halten, ohne seinen modernen Geist deutlich zu
empfinden. Dazu kommt noch die unverhüllte
Neigung eines spöttischen Geistes, der nicht
nur seine Ritter und Mönche und Landsknechte
selbst, sondern auch ihre gewohnte Darstellung
zum Teil recht deutlich karikiert, und sich da-
durch von selbst in eine Distanz zu ihrer Zeit
bringt. Dem entspricht, wo er sich nicht be-
wußt typographisch bindet oder dekorativ be-
schränkt, eine haarscharfe Zeichnung, die sehr
wenig mit der Derbheit alter Schnitte zu
tun hat.

Freilich ist nicht zu leugnen, daß die große
Kunst dieses Mannes sich mehr durch seine Vor-
liebe für alte Kunst und eine seltene Kenntnis
ihres unerschöpflichen Reichtums als un-
mittelbar an der Naturbeobachtung gebildet

Josef Sattler. Aus den Zeichnungen zur
Geschichte der rheinischen Städtekultur.
(Verlag J. A. Stargardt, Berlin.)

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