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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 12.1906

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Nr. 7
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Kühl, Gustav: Unsere Musikbeilage
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Rebmrandts Radierungen / Julius Bab: Wege zum Drama / Eine Miniaturen-Ausstellung
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https://doi.org/10.11588/diglit.26232#0062

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Unsere Musikbeilage.

Es gibt eine Reihe solcher Szenen von
Schütz. In dem Breitkopfschen Hefte, dem wir
unser Duett entnehmen, stehen noch zwei:
Die Erscheinung des Auferstandenen vor Maria
am Grabe (darin ein paar Takte, deren chro-
matische Gänge in den Begrüßungsworten
,,Maria"—,,Rabuni" fast ein Jahrhundert Musik-
geschichte vorwegnehmen) und ferner das Get
spräch des zwöifjährigen Jesus im Tempel mi-
seinen Eltern. Diese kleinen Szenen dürfen
eigentlich ein stärkeres Interesse beanspruchen
als Schützens große Historien (die drei Passionen
und das Weihnachtsevangelium), weil sie
knapper gehalten sind und man nicht die musi-
kalischen Höhepunkte zwischen den langatmig
psalmodierenden Strecken mit viel Geduld zu
erkaufen braucht. Damit soll freilich den letz-
teren Werken, die der große Komponist in
seinem achtzigsten Lebensjahr ans Licht gab,
nicht ihr Wert geschmälert werden. Gerade
dadurch, daß er den herkömmlichen priester-
lichen Sprachton und das modernere, bewegliche
Rezitativ mit gleicher Kraft beherrschte, und
daß er anderseits Solostimmen und Chöre gleich-
wertig nebeneinanderstellte, legte Schütz das
breite Fundament des protestantischen geist-
lichen Dramas, das unsichtbar aber dauernd die
Matthäuspassion Sebastian Bachs trägt.
* *
*
Herr Dr. Scheibler hatte die Liebenswürdigkeit, mich
darauf aufmerksam zu machen, dass die B Moll-Gigue,
die unsere vorvorige Musikbeilage brachte, nicht von Graun
stammt, sondern von Baron Ludwig von Braun, einem
Bekannten Mozarts, in altertümelnder Manier komponiert
ist. Damit ist die formale Reife der Komposition aufs
beste erkiärt. Der Irrtum mit Graun rührt wahrscheinlich
von der Ausgabe bei Rieter-Biedermann 1863 her. G. K.
*[*) EMBRANDTS RADIERUNGEN.
Von R. Hamann. (Bruno Cassirer, Berlin 1906.)
Aufmerksame Leser werden ßnden, dass unser Rem-
brandt-Festartikel: ,,Der Altersstil Rembrandts, Goethes,
Beethovens" von Dr. R. Hamann das Schlusskapitel seiner
Arbeit über den Impressionismus darstellt. (Siehe Heft 1
und 4 dieses Jahrgangs.) Man mag eine derartige Ent-
wicklung des Impressionismus als der Kunst des Alters
ungewöhnlich und bestreitbar ßnden, man wird dem Ver-
fasser nicht absprechen können, dass er das Thema gründ-
lich und geistreich erledigt hat, dass er eine ausserordentliche
Kenntnis der modernen Strömungen mit einem nicht äusser-
lichen Verständnis unserer grossen Meister verbindet. Zu-
gleich aber weist die vorliegende Arbeit auf eine frühere
zurück, die ebenfalls in den ,,Rheinlanden" erschien (Heft 10,
Jahrgang V), aber anscheinend nicht so beachtet wurde:
,,Das Hundertguldenblatt^.
Diese Arbeit wiederum bildet ein Kapitel des Werkes,
auf das hiermit ausdrücklich hingewiesen werden soll:
,,Rembrandts Radierungen". Es erschien im Verlag von
Bruno Cassirer vor einigen Monaten und stellt sicher eine
der wertvollsten Gaben zur Rembrandtfeier dar. Wer die
hier abgedruckten Arbeiten gelesen hat, dem braucht über
den Text kaum etwas gesagt zu werden: Hamann ist frag-
los ein Kunsthistoriker von einer seltenen Fähigkeit des
Ausdrucks, seine Sprache, gar nicht feuilletonistisch, ist un-
gewöhnlich gefeilt und künstlerisch. Wie auch seine Kunst-
betrachtung weniger historisch im landläuHgen Sinn als
philosophisch ist: Ein Vermögen der Wissenschaft, der

Kunst in ihr eigentliches Wesen, das Problem der künst-
lerischen Form (des gefühlten Gleichgewichts) zu folgen; wie
es Wöltflin bisher am auffälligsten bewiesen hatte, dessen
Name somit wohlbegründet auf dem Widmungsblatt des
Werkes steht. Ohne sich irgendwie in die beliebten Fragen
einer „Echtheit" zu verlieren, ohne sich gross mit zeit-
geschichtlichen Heranziehungen, mit Belegen usw. auf-
zuhalten, führt Hamann uns durch eine kurze, an der Hand
seiner Selbst- und Familienbildnisse gegebenen Biographie
zu dem Künstler Rembrandt: wie er die Radiernadel hand-
haben lernt, zunächst gleichsam in sorgsamer Kopie nach
der Natur, danach in mehr dekorativer Absicht, von der
Platte ausgehend (,,das gleichmässige Blühen der BildHäche"),
um zum Schluss in vöHiger Herrschaft über Material und
Naturanschauung in der Radiernadel ein Mittel zur innersten
Aussprache zu haben, auf die er dann verziühtet, als ihm die
in brcitesten Pinselzügen hingesetzte Malerei seiner letzten
Jahre ,,in einer selbstgewollten und selbstgeschaffenen Welt
künstlerischer Eruptionen" nur noch allein genügen kann.
Dabei werden alle irgendwie bedeutsamen Blätter heran-
gezogen und (dies ist wohl ein Verdienst des Verlags) in
meist originalgrossen Reproduktionen vorgeführt, so dass
der umfassende Titel „Rembrandts Radierungen" in jeder
Weise gerechtfertigt ist.
Um aber den Geist des Buches, das aus dem hinter-
lassenen Werk des Künstlers, nicht aus seinen äusseren
Schicksalen, das Wesen und die Grösse des Künstiers zu
ergründen sucht, in einem Beispiel darzutun, mögen hier
die Schlussworte stehen, die in nicht misszuverstehender
Weise mit dem (bei Rembrandt namentlich durch Muther
gepHegten) sentimentalen Künstlerschicksalen-Anekdotentum
abrechnen:
,,Nach einem solchen Wirken versteht man es kaum, wie
Rembrandts Leben mehr als einmal eine Tragödie genannt
worden ist — im Grunde eine Ansicht von Klageweibern —
als ob glücklich sein nicht nur für diejenigen etwas be-
deutet, die nichts Besseres zu tun haben. Bei wenigen
Künstlern haben wir so die Empßndung, dass sich ein
Künstlerleben ganz zu Ende gelebt hat, sich im Eifer der
Produktion beständig zu neuem Entschluss aufschwingend,
zu neuer Leistung emporklimmend, um schliesslich nach
überreicher Tätigkeit den Stift beiseite zu legen. Was
wissen wir, wie weit Rembrandt um die Widerwärtigkeiten
seiner letzten Zeiten sich gross gekümmert hat, wie weit
er überhaupt gelitten hat.
Die einzige Künstlertragödie, sein Werk nicht vollenden
zu können, ist ihm erspart geblieben. Denn höher als alles
persönliche Erleben ausserhalb der Kunst steht doch eines
das Werk." S.
TULIUS BAB: WEGE ZUM DRAMA.
(Berlin 1906, Osterheld & Co.)
Eine selten feine Schrift, von allen, die ich über das
moderne deutsche Drama las, die beste. Auf 60 Seiten
wird eine Übersicht der Möglichkeiten gegeben, die heute
für den tragischen Stil vorhanden sind. Man hat das Ver-
trauen, es sei nichts Wesentliches vergessen, und denkt dem
Urteil über unsere bekannten „Dramatiker" selbst dann gern
nach, wenn man es nicht völlig anerkennen mag. Wer, wie
der Schreiber dieser Besprechung, die fünfzehn Jahre der hier
abgehandelten Bewegung als Beteiligter erlebt hat, wird der
Schrift sogar den Vorzug einer „Geschichte" zugestehen;
die Nachwelt wird mit ihr nicht übel beraten sein. S.

11'INE MINIATUREN-AUSSTELLUNG
^ soll im Herbst dieses Jahres in Berlin stattßnden;
es mag im Biedermeiern unserer Zeit begründet sein,
dass man auch dieser vergessenen Kunst wieder Interesse
zuwendet, die im allgemeinen so unendlich langweilig und
in einzelnen Leistungen doch von feinstem Reiz ist. Viel-
leicht vermögen unsere Länder am Rhein nicht das Übelste
in dieser Beziehung beizusteuern. Alle Anfragen und An-
meldungen sind an Dr. Fritz Wolff am Märkischen Museum
in Berlin W. 9, Königgrätzerstrasse 9, zu richten. S.

Herausgeber W. Schäfer, Verlag der Rheinlartde (v. Fischer & Franke). Druck A. Bagel, Düsseldorf.
 
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