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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 12.1906

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Nr. 11
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Bosselt, Rudolf: Alte und moderne Münzen
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https://doi.org/10.11588/diglit.26232#0240

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ALTE UND MODERNE
JTi. MÜNZEN.*
Von RudoifBosselt.
Ein beschämendes Gefühl
unserer künstlerischen Ar-
mut befältt uns, wenn wir
unsere Geldstücke mit
diesen Münzen des Aiter-
tums vergleichen, wenn
wir sehen, wie die da-
maiigen Münzen eins
waren mit dem Leben
der Väiker, wie sie ihre
Geschichte, ihre Siege, ihre
Freuden und Spieie und ihre
Zeiten derTrauer undBedrückung
widerspiegein.
Wie wenig dagegen haben uns
unsere Münzen zu sagen. Wenn sie
nichts weiter sein soiiten ais Metall-
scheiben mit ihrer Wertangabe, so genügte
es, dab dieser Wert in kiarer schöner
Ziifer angegeben wäre. Aber unsere
Geidstücke tragen Biidnisse, die Bild-
nisse der Münzherren, und das sollte
sie zu Kunstwerken machen. Aber mit
der Kunst haben sie jeden Zusammenhang ver-
ioren, denn diese schematischen, alle an der-
selben Stehe des Haises mit geschwungener
Linie guillotinierten Fürstenbildnisse können
keinen Anspruch mehr darauf erheben. Und
dann diese Rückseiten, diese ausdruckslosen
Rückseiten mit der so korrekten, gutgesinnten,
mit einzelnen Buchstabenstempeln eingeschiage-
nen Schrift! Man betrachte einmai einige
siiberne Groschen des
14. Jahrhunderts da-
gegen, mit ihrem Reich-
tum ornamentaler Kom-
position von einer ein-
fachen, in ihrer stilisti-
schen Wirkung so un-
übertreffiichen und
geschmackvoiien Anord-
nung, daß man jedes-
mal wieder von neuem
entzückt ist, wenn man
solch ein Stück in die
Hand bekommt. Aus
dem Suchen nach dem
Wertbestimmer entstand
die Münze, und die
* Aus ,,Über dre Kunst der
MedaiHe" (Verlag von Josef
Köstler, Darmstadt 1905).

kunstfrohen Völker vergangener Zeiten
machten aus der ledigiich praktischen
Zwecken dienenden Metalischeibe
ein Kunstwerk. Wir, die Erben
einer Jahrtausende alten Kultur,
sind mit unseren Münzen da-
hin gekommen, daß sie
nichts weiter sind, ais
Ziffern, die nur noch
addiert werden, undwir
sind nicht einmai kon-
sequent genug, dann
wenigstens alles fort-
zuiassen, was sie in
Verdacht bringen könnte,
mit der Kunst uneriaubte
Beziehungen zu unterhaiten.
Aiierdings, ganz abhanden ge-
kommen ist uns ja die Sitte nicht,
einmal bei einer besonderen Gelegen-
heit eine besondere Münze zu schlagen.
Zur Erinnerung an das 200 jährige Be-
stehen des Königreichs Preußen haben wir
wieder eine gehabt, aber sie stand ganz
auf der künstierischen Höhe unserer neuen
Germania-Briefmarken oder der zur Jahr-
hundertwende von der deutschen Reichs-
post ausgebenen ofhziellen Postkarte.
Ich bin nicht der Meinung, daß man die
Künstler zu Münzbeamten machen soM, wohl
aber, daß man sich zur Herstellung der Münz-
modelle an die Künstler wenden soll. Die
Münze könnte ein wichtiger Faktor sein in der
künstlerischen Erziehung des Volkes, da sie
doch auch dem Geringsten in die Hände kommt;
aber nichts geschieht, um diesen Weg, das
künstlerische Emphnden des Volkes zu wecken
und zu stärken, es durch
diese kleinen und in-
timen Kunstwerke der
Liebe und dem Ver-
ständnis der Kunst über-
haupt näher zu bringen,
zu beschreiten. Und
wir hätten in unserer
deutschen Vergangen-
heit anregende Vor-
bilder genug dazu in
den verschiedenen me-
daillenartigen Not- und
Sterbemünzen, Wahr-
heits- und Lüge-, Ge-
schichts- und Sieges-
talern, an deren Hand
man einen guten Teil
der Geschichte des Vol-
kes schreiben könnte.

R. Bosselt:
Glückwunsch-
Medaille.
(Rückseite.)

R. Bosselt: RettungsmedaiMe der Stadt Hamburg.
 
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