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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 13.1907

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Heft 4
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Schäfer, Wilhelm: Elberfelder Familienporträts
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Muthesius, Hermann: Zur Denkmalspflege
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https://doi.org/10.11588/diglit.26231#0158

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Elberfelder Familienporträts.

Malerei uns schämen, diese Ieit se lange verachtct zn
haben, die nns inuner mehr als einc der merkwnrdigftcn
Epochen des detltfthen Lebens atisgeht.

Jmmcrhin war Heinrich Christoph Kolbe ein be-
kannter Knnftler, der anch in der Jahrhnndcrt-Aus-
stcllting mit vier Bildern, wenn anch nicht so glänzend
wic hier, vertreten war. Dagegen ift Richard Seel
ein völtig Unbekanntcr, der in Elberseld gcmalt nnd
gclcbt hat nnd dabei angenschcinlich in seincr Ent-
nncklnng Schadcn nahm. Die Ingendarbeit des Iwci-
nndzwanftgjährigen: das Doppelporträt der Schweftern
Blocm, im Iabre 1841 gemalt, erbcbt sich zwar dnrcb-
ans nicbt so übcr dcn Dnrchsclmitt seiner Zcit wie das
Tocbterbild von Kolbe: aber es ift ein Drang zn großcr
Komposition darin, dcr sicb nachbcr bcschcidet nnd nnr
in dcm Porträt dcr Fran Rocber (Mnttcr der bekannten
Malcr, also Gattin des Wnppertbalcr Dicbters Roebcr)
m der anßerordentlichen blitzbast ersaßten Daltnng noch
einmal anslebt. Sonst bat cr sicb bcgnügcn müssen,
mit Porträtmalen sein Brot sancr zu vcrdienen, wo-
bei anscheinend nur Austragsmalerei heransgekommen
ift: wer sreilich das großlinigc Bildnis der Helenc
Wüfter mit dem saft leidenscbastlich gemalten breit-
släcbigen Bild dcS vi'. Fr. W. Marmö nnd znlctzt dcm
seinen Altersporträr des Ad. Scharsbansen vergleicbt,
pemlich ftreng nnd doch nicbt klcinlich gezeiclmet: der
spürt ans diesen Reftcn die Brcitc ciner Bcgabnng, die
anch so noch, in ibrer Vcrkümmernng, dnrcbanS
eine würdigcre Form dcr Bildnismalerei darftellt, als
wir sie bcnte besitzen (siche nebenftchcnde Anmerknng).

So hat nns ganz nnvcrmntet dic Stadt Elbcrfeld
ivillkommenc Beiträge znr dentschen Knnstgeschichte im
19. Iahrbnndert geliesert, die — das schcn wir immcr

ur Denkmalspstege.'

Nicht minder bedenklicb als das bcrnslicbe
Wirken dcr Arcbitektcn in der Nachbildnng alter
Stile ift ibre Tätigkeit ans cinigcn Sondergebicten, vor
allem ans dem dcr sogenanntcn Denkmalspslege. Dic-
selben Verirrnngen, dieselbc Verkenmmg dcr einsacbften
Tatsacben bier wie dort! Die alten Bauten wnrden
dcm XIX. Iahrbnndert in eincm Inftandc überliescrt,
der ibrcm natürlichen Lebensprozefi cntsprach, z. T. ge-
brecblich insolge ibres Alters, z. T. dnrch die anscinander-
solgenden Mcnscbengenerationen dnrch Anbanten nnd
Eingriffc nmgestaltet nnd ansgebant. In ibnen nabm
nnn die Architcktcnschast des XIX. Iahrhnnderts eine
ganz nene Stcllnng ein. Sie sühlte das Bedürsnis in
sicb, sie ans nen zu komplettiercn, älmlich wie die Lcnre
der Renaissance zerbrocben ansgcsnndenc antike Statnen
dnrcb Ansetzen von Beincn, Armen nnd Nasen crgänzten.
Und wcnn die Ergänznng wenigftens noch in einer
naiven Weisc nnd mit dcn Ansdrneksmitteln nnserer
eigcncn Zeit ersolgt wäre. Dic Architekten verfielcn aber
ans die Jdee, sie im Sinnc längst vcrgangencr Iabr-
lmnderte zn bewerkftclligen. Sic gabcn vor, sich so
baarschars in das Dcnken nnd Füblcn des XII. oder

" Aus Hermann Muthesius: Kunstgewerbe und Architektur.
(Verlag von Cugen Diederichs, Iena).

dcntlichcr — noch geschricbcn wcrden mnß. Sie war
viel bürgerlichcr, als wir glanbten, auch in dcm Sinn
der schlichtcn Tüchtigkeit, wodnrcb sie sich den altcn
Mciftern im Wesen näherte, diese Zcit: anö der gar
nicht jo einsam nnd unvermittclt ihre bekannten Größen
wnchjen. Es gab in dcr Ansftellnng noch ein Kinder-
porträt von Richard Scel, das sich dcn bckannten
Kinderbildnissen Hans Tbomas anßerordentlich ver-
wandt zeigte; dabei ift es gewiß ansgeschlosscn, daß
Seel, der ans dem Gleis geratenc Elberselder Maler,
dcn jüngeren Scbwarzwälder überhanpt kannte. Doffent-
lich versänmt die Stadt Elberfcld nicht dic Gclegenheit,
ans irgend eine Weisc seftznhalten, waS ihr klngcr nnd
rascb zngreisendcr Direktor vu. Fries ihr so ans ein-

mal ans dcr Vcrborgcnhcit — wic manche sebr miß-
bandclten Bilder zeigten: anch auS dcr NichtaclMmg

ans Licht gebolt hat. S.

Anmcrknng. Die naclffolgenden biographischen
Daten verdanken wir Hcrrn lü'. Fries. Die Red.

Richard Seel ift am 2. Fcbrnar 1819 in Elberseld

geborcn, bat dann bci Karl Ferdinand Sobn in Düsscl-
dors gearbcitct nnd ift vermntlicb im Iabre 1845 nach
Paris gegangen, wo er ein Sclmler Dclaroches wnrde.
Als er im Jabre 1848 nach Elbcrseld zurüekgckehrt war,
bildete er dort den Mittelpnnkt eines kleinen gciftig sebr
rcgsamen Kreises. Bis zn seincm im Jabre 1875 er-
solgten Tode blieb er in Elberseld nnd nnr gelegentlich
sübrte ilm cinmal eine Reise nach Berlin oder m eine der
anderen Großstädte Dentschlands. Größere Arbeiten von
ihm haben sich bis jetzt nicbt ansfinden lassen, dagegen
eine ganze Reibe trefflicher Porträts, die ans eine große
Begabnng und eine gewisse Frübrcise schlicßen lassen.

XIII. Iabrhnnderts versetzcn zn können, daß sie das
Werk des damaligcn Banmeifters sortsetzcn könnten.
Nnn läßt sicb zwar die Beobachtnng machen, daß bci
Wiederberftellnngcn ftets nach cinem Jabrzelmt die
sremde Hand, die die Eingriffe in den alten Beftand
vollsübrt hat, dentlich sichtbar ift; jede solgende Generation
crkennt, daß dic vorige sich in dem Einsüblen in den
Gcift der altcn Zcit gründlich gcirrt hatte. Aber kcine
Generation zog bisher den naheliegendcn Schlnß, daß
ancb sie sich wie alle Vorgänger irrcn könne, nnd
daß vielleicht scbon zelm Iabre später das Unznlängliche
ihrer Nacbahmnng des Alten offen zntagc liegcn würde.
Der Irrtnm grassiert weiter, obgleich sich in ncnerer
Zeit der Widerspruch eines großen Teils des gebildeten
Pnbliknms gegen die Wiedcrherstellnngsbcftrebnngen
geltend gemacbt hat. Noch bente ftcllcn Architekten-
Versammlnngen Prograinme nnd Anwcisnngen ans,
wic man sich ganz gcnan in dcn Gcift der altcn Ban-
mcifter versetzen könne, nnd noch bentc sälschen nnd
vernicbten sie weiter. Es ift nicht zn vicl behanptet,
daß alte vorhergehendcn Iabrlmnderte mit ihrcn Kricgcn,
Fencrsbrünftcn nnd Revolntioncn weniger verbängnisvoll
in den Bcftand an historischen Banten eingegriffen haben,
als das Wirken dcrjenigcn, die sich im XIX. Iahrlmndert
als deren Hüter ansgaben, der Architekten.

H. Mnthesins.

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