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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 13.1907

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Heft 5
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Widmer, Karl: Ludwig Dill
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https://doi.org/10.11588/diglit.26231#0180

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udwig Dill.

Die Eiltwicklung Ludwig Dills ist durch eine scharfe
Liuie iu zwei Epocheu gctreuut. Die Grenze der
beideu Epochen fällt iu deu Aufaug der ueunziger Jabrc.

Bis dahin ist die Jnsel- uud Laguuenwelt in und um
Veuedig das Hauptfeld seiner künstlerischen Tätigkeit.
Eutscheideud ist eine italienische Reise des Jahres 1877
gewesen. Dainals bat sich der Neuuuudzwanzigjährige
unt Schönleber uud Bauerufeind aus der Fischeriusel
Chioggia uiedergelassen uud hier einen Sommer lang
gemalt. Schöuleber, der als Küustler der Alteste und
Fortgeschritteuste vou den Dreicn war, bat auf Dill
cineu starkeu Eiusluß ausgeübt, der die Grundlagen zu
desseu weiterer Entwickluug gelegt bat. Dill hat deun
auch die Anreguugen, die er Schöuleber zu verdaukeu
bat, jederzeit rückhaltlos auerkauut.

Die Motive, die er hier findet, erinneru in vieleu
Diugeu an die der Holländer. Es ift die gleiche Duust-
atmosphäre der Häsen und Kanäle, welche den Gegen-
ständeu die Härte uud Schärfe der Kontur niinmt, sie
in ein weiches schwimmendes Fluidum taucht und mit
seinem seinen Schleier alle Süßigkeit und Grellbeit der
Farben mildert. Und es ift ein gleicher Reichtum male-
rischer Formen, nur aus eine klassischere, inonumentalcre
Note geftimmt: die charaktervollen Gestaltcn und lebens-
vollen Gruppen dcr Fischer und Fischerinnen, ihre male-
rischen Ruder- und Segelboote, die romantischen Mauern
und Winkel, Gassen und Brücken der alten Stadt- und
Dorsinterieurö.

Etwa sünfzehn Jahre lang bat Dill aus dieser
reichen O.uelle geschöpst. Die Jntermezzi gelegentlicher
Reisen nach Belgien und Holland (1881 —1888) erzcugen
Werke, deren Cbarakter den venezianischen durchaus
verwandt ist. Seine Kunst bat in dieser Zeit noch
einen ausgesprochen schildernden Zug. Daö Ortliche von
Land und Leuten ist stark betont. Figur, Landschast
und Architektur treten gleichbedeutend aus. Die Kom-

Ludwig Dill: Moorgrund (Kohlezeichuung).

position ist vielgestaltig. Sie baut daö Bild aus einer
verbältniomäßig großen Fülle sormaler Elemente aus.
Das Detail iir rcich.

Der Hauptvorzug ist ein stilvoller Realismus. Dill
hat im Gegensatz zu so vielen Jtaliern die italicnische
Natur nicht versüßlicht. Er sucht sie nicht in ihren
bunten, sondern in ihrcn berben Momenten aus. Er
schildert den tiesen, in Grau gebrochenen Klang der
Farben bei bedecktem Himmel, bei verschleierter Lust.
Er packt die Figur in einem slotten, männlichen Wurs.
Er behält bei aller Sorgsalt der Detaillierung die Breite
und Wucht des Vortrags.

Schon während Dill aus dcn Jnseln und der Lagune
seine Marinen malte, unternabm er gelegentlich Aus-
slüge nach dem Festland. Es war namentlich die Küfte
gegenüber von Cbioggia, die ibn interessierte; dic Gärten
und Felder von Brondolo: langgestreckte, halb zersallene
Farmen, an die ihn später die Bauernbäuser von Dachau
wieder erinnerten, Mauern, Gartenbäuser, Artischocken-
beete und Feigenpslanzungen, „Orgien in Grün", graue
und braune Robrzäune, welche die Geböste umsriedigen.

Aber erst im Jabre 1892 begann er, dicse Eindrücke
künstlerisch zu gestalten, sein Studienfeld von den Jnseln
nach dem Feftland zu vcrlcgen. Von diesem Wechsel
seiner kunftlerischen Motive ist eine tiefgreisende Wand-
lung seines StilS ausgegangen. Es beginnt die zweite,
reisere Epoche seines Lebens. Die Epoche, in der er
sich selbst gefunden hat.

Er brachte sreilich vom nächften Jahre an seine
Sommer nicht mehr in Jtalien, sondern in Dachau zu.
Zunächft aus äußeren Gründen: 189Z wurde die Münchner
Sezession gegründet und Dill blieb alö ihr Vizepräsident
und späterer Präsident an die Nähe von München ge-
sesselt. Jn Dachau sand er eine Natur, deren Motivc
mit jenen italienischen in vielem verwandt waren: dunst-
geschwängerte, tonerzeugende Atmosphäre; die weite, von
sließenden und stebendcn Wasiern durchschnittene Ebenc
des Moors mit ihren verfteckten Wundern der Farbe;
 
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