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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 13.1907

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Heft 5
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Sillib, Rudolf: Vom Schwetzinger Theater
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https://doi.org/10.11588/diglit.26231#0196
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om Schwehinger Theater.

Schwetzingens graziöse Schönheit zur Früh-
lingszeit zu bewundern, hält sich der Mann-
heimer und der Heidelberger gleicherweise sür verpflichtet.
Wie heute die Fliederblüte Tausende zum Besuch des
Gartens lockt, so einst, zu Kursürst Karl Theodors
Ieiten, das Blütenreich der Rosen. Jn einer anspruchs-
losen Novelle hat 1824 Georg Rieger „das Rosenfest
am Pfingstmontage in Schwetzingen", wo die Kinder
der sröhlichen Pfalz am Rhein alljährlich zu heiterstem
Lebensgenuß sich einzufinden pflegten, zu verherrlichen
gesucht. Hier begegneten sich in liebenswürdiger Un-
befangenheit die verschiedenartigften Gesellschaftskreise bei
einem wahrhaft erfreulichen Frühlingssest. Jung und
Alt luftwandelte mit Behagen in den schattigen Linden-
und Kaftanienalleen, seiner Laune und seinem Vergnügen
an der Übersülle der Bild- und Bauwerke des Gartens
naiv empfundenen Ausdruck gebend. „Die phantastisch
gekleideten Heidelbergerinnen mit dem schwärmenden
Blick und die lebenslustigen sorg- und harmlosen Mann-
heimerinnen", sie bewunderten srohen Herzens Natur
und Kunst des Hesperidengartens, und auch sie selbst
fanden willige Bewunderer. Bei Musik und Tanz
entstanden und vergingen jene zarten Liaisons, die der
06lllu8 looi ausnehmend zu begünftigen schien. Den
feftlichen Tag beschloß gegen Abend meist die Aufführung
einer Gelegenheitsdichtung Wo Karl Theodors galante
Welt dem seriösen französischen Drama und der italie-
nischen Oper gelauscht, ergötzte sich nun die bunte Menge
in ehrlichem Entzücken am selbstgeschaffenen Witz.

Mehr als irgend ein anderer Ort der Pfälzer Lande
war aber Schwetzingen zur Stätte dramatischer Kunft-
pflege berufen. Kaum hatte Karl Theodor den Ausbau
seiner Sommerresidenz befohlen, als er 1746 seinen
Oberbaudirektor Aleffandro Galli Bibiena mit der Auf-
gabe betraute, „ein kleines Theatrum zur Exhibirung
der französischen Comoedie" aufzurichten. Allein der
Bau unterblieb damals noch, aus welchen Gründen
wissen wir nicht. Iweifellos hätte der bewährte Meister
den Ruhm seiner gerade im Theaterbau mit Recht viel-
gepriesenen Familie nur vermehrt. Einem französischen
Künftler, Nicolas de Pigage, der Schwetzingens Anlagen
im Ganzen geschaffen oder wenigstens doch mitbeftimmend
beeinflußt hat, blieb es vorbehalten, sechs Jahre später
diesen Wunsch seines fürftlichen Herrn zu erfüllen.
Hinter dem nördlichen Iirkelhaus versteckt erhebt sich der
Bau in einfach zweckentsprechender Gestaltung. Trotz
sparsamer Verwendung ornamentalen Schmuckes im
Stil der Pariser akademischen Schule zur Zeit Ludwigs XV.
ist es Pigage trefflich gelungen, im Jnnern ein Werk
von intimem Reiz zu schaffen. Bemerkenswert ist die
verhältnismäßig tief angelegte Bühne, deren Perspektive
durch Offnen eines großen Fensters nach dem Garten
zu effektvoll verlängert werden konnte.

Seitdem Voltaire im Sommer des Jahres 175Z
des Kurfürften — man kann faft sagen — abgöttisch ver-
ehrter Gast war, schien die Stellung der französischen
Schauspielertruppe am Hofe Karl Theodors mehr denn
je gefestigt. „Voltaires Wohnung im Schwetzinger
Schloß wurde zu einem Tempel Melpomenens" ver-

sichert sein Sekretär, Cosmas Alexander Collini. Mit
überschwänglichem Enthusiasmuö wurden Voltairesche
Dramen hier in Schwetzingen studiert, gespielt und
bewundert, 1754 OrMelin äo R Obliie, 1759 TLnoroä,
1762 am 5O. September und 7. Oktober die dem Kur-
fürsten zugeeignete Ol^inyls. Aber auch Opern leichten
Genres und Balletts kamen in steigendem Maß in
Aufnahme. Vor allem die Werke Jgnaz Holzbauers,
der 25 Jahre mit bedeutendem Erfolg das Mannheimer
Orchester geleitet, erfreuten sich großer Beliebtheit. Wie
ich Friedrich Walters Geschichte des Theaters und der
Musik am Kurpfälzischen Hof entnehme, beherrschten Holz-
bauers Opern damals das Repertoire des Hoftheaters
völlig. Mehrere seiner Werke erlebten in Schwetzingen
ihre Uraufführung, 1753 „41 üssllo äolls 86lvs", 1754
,H'1so1a äl8Lb1tata", 1755 die Oxoi-g. 86i-1or1äl6olÄ ,,Oon
01ä8o1ott6" mit einem Libretto nach Cervantes' Roman.
So bewegte sich die Oper in Schwetzingen ganz in den
hergebrachten Bahnen. Erst zwanzig Jahre später seierte
man hier auf der kurfürstlichen Bühne als „einen
Triumph der deutschen Musen" in glübender Begeifterung
den Einzug der ersten deutschen Oper, der Wieland-
Schweitzerschen Alceste.

Daneben erhielt sich aber auch allen Wandlungen
der Mode zum Trotz das höfische Sing- und Schäfer-
spiel. Freilich bot sich gerade in Schwetzingen zu seiner
Verherrlichung auserlesene Gelegenheit. Jm Verein mit
dem Bildhauer Peter Anton von Verschaffelt, wohl auch
schon unter Mitwirkung des jungen Hofgärtners Friedrich
Ludwig Sckell, hatte Pigage 1768-1774 hier ein ideales
Naturtheater geschaffen. Etwas abseits von der wuch-
tigen und imposanten Mittelpartie des Gartens wollten
die Künftler die Umgebung des Apollotempels nach dem
neuen englischen Geschmack bilden; absichtlich suchten sie
sich in Apollos Hain von den gebundenen Formen des
sranzösischen Stils zu befreien und nur die frei gestal-
tende Natur zur Geltung zu bringen. Es gelang ihnen
nicht völlig; so entstand ein seltsames Gemisch von
Elementen französischer und englischer Gartengestaltung.
Die Szene selbst begrenzten ursprünglich geschnittene
Rottannenhecken und einengendes Gitterwerk; heute ist
auch hier wie überall im Garten der freie Baumwuchs
eingetreten. Meifterhaft ist der Grundriß und der
Aufbau der Anlage entwickelt: Das vertiefte Parterre,
die Szene, die aus mächtigen Quadern gefügte Grotte
und über ihr, den Prospekt beherrschend, die offene
Rotunde mit dem Marmorbild des Apollo Musagetes.
Den hochragenden Tempel vermittelt nach der Szene
die Kaskade, deren Wasser aus einer von Najaden
gehaltenen Urne, den kastalischen Quell symbolisierend,
reichlich herabströmt. Trotzdem charakteriftische Merk-
male des strengen Stils verschwunden sind, verleugnet
die herrliche Partie auch heute noch nicht das sichere
Stilgefühl ihrer Künstler, die Stimmungswelt des
spätesten Rokoko.

Möge auch am 26. Mai des Himmels Blau sich
wieder wölben über den leise rauschenden Bäumen in
Apollos heiligem Hain, möge des jungen Goethe Laune
des Verliebten ihren Iauber ausgießen auf unö, die
Kunstfreunde in den Ländern am Rhein!

Rudolf Sillib.

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