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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 13.1907

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Heft 6
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Hackemann, August: Goethe und sein Freund Karl Philipp Moritz
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Schäfer, Wilhelm: Der Ring der Zwergenkönigin: eine Rheinfrage
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https://doi.org/10.11588/diglit.26231#0248

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er nicht, daß es ein in der Literatur Unbekannter sei,
der dies geschrieben habe, scmdern, daß entweder Wieland
oder Herder oder gar Goethe selbft sich einen kleinen
Scherz mit ihm erlaube. Er besprach sich aber doch,
da es ihm nahe ging, daß diese Heroen einen solchen
Versuch nicht gerade mit ihm machen würden, mit seinem
zukünftigen Schwiegervater, las ihm einige Stellen aus
dem Buche vor und brachte es dahin, daß Matzdorf
den Verlag dieses Werkes übernahm und dafür ein
Honorar von IOO Dukaten — für die damalige Zeit
eine gewiß sehr bedeutende Summe — dem unbekannten
Autor zusicherte und ihm ZO Dukaten gleich zusandte.
Eö sollte nämlich xosts rsstauto an einen kleinen Ort
abgesendet werden. Dazu schrieb Moritz: „Wer sind
Sie, wie heißen Sie, Jhr Werk ift ein Juwel." Und
wer war der Autor dieses Werkes, das tatsächlich große
Schönheiten enthält, obgleich es fteilich nicht an die
späteren Werke dieses Schriftftellers heranreicht? Kein
anderer als Iean Paul, der sich damals in den düfterften,
verzweifeltsten Verhältniffen befand. Er hatte seine alte
Mutter bei sich, die er nicht ernähren konnte. Er war
zufällig verreist, um nur einige Gulden auszuborgen,
und als er jetzt zurückkam, traf ihn Moritz' Brief mit
den ZO Dukaten, und seine alte Mutter weinte vor
Freuden. Iean Paul selbft fand sich gehoben, und von
nun an arbeitete er mit voller Iuversicht und hat ja
auch eine hohe Stelle im deutschen Parnaß erklommen.

Moritz heiratete sohin. Seine Ehe war in dcn
crften Jahren nicht glücklich. Die Ungleichheit der
Jahre, die Kränklichkeit des Gatten mag manches dazu
beigetragen haben. Als aber die Frau mit einem ge-
wissen Sydow durchging, der ein Buch über die Art,
sich in der Gesellschaft zu benehmen, geschrieben hatte —
er hatte ja auch bei ihr seine Benehmungsart mit Glück
ins Werk gesetzt -— eilte er ihr nach und nahm sie in
verzeihender Liebe wieder auf. Durch seincn Edelmut
bezwungen, ward sie ihm von nun an die befte Gattin.
Allein das Glück sollte nicht von langer Dauer sein.
Gegen das Ende seines Z6. Lebensjahres machte Moritz mit
seiner Gattin einen kleinen Auöflug nach Dresden, und
als er zurückkam, ftreckte ihn eine Lungenkrankheit auf
das Siechenbett. Trotz treuefter Pflege seiner Gattin
verschied er mit dem vollendeten Z6. Lebensjahre, und
einige Wochen später folgte ihm seine aufopfernde
Pflegerin an derselben Krankheit ins Grab.

Aber selbft als Moritz verschieden war, ließen ihn
die Anhänger Nikolais nicht ruhen. Schlichtegroll hielt
ihm einen Nekrolog, nicht zum Lobe, indem er nur die
Phantafterei und ungeregelte Gcnialität betonte, allcin
kein Wort für das Gute und Schöne, das der Mann
geleiftet hatte, fand.

Wieder waren es Goethe und Schiller, die sich seiner an-
nahmen, und daher kommen die bekannten Disticha,welche,
von Goethe zunächft als Manuskript geschrieben, lauten:

Armer Morih, wieviel hast Du im Leben gelitten,

Ackus sei Dir gerecht — Schlichtegroll war es Dir mcht.

und in den gedruckten Zkenien 1797:

Nekrolog.

Unter Allen, die von uns berichten, bist Du mir der Liebste;

Wer sich lieset in Dir, liest Dich zum Glücke nicht mehr.

Aug. Hackemann.

er Ring der Zwergenkönigin.

Eine Rheinsage von Wilhelm Schäfer.

Jn Nievern an der Ems schlief eine Frau von
Marioth am erften Mai mit ihren Kindern allein zu
Haus, weil ihr Gemahl nach Lüttich in Geschäften war.
Da wurde sie um Mitternacht durch eine Helligkeit ge-
weckt, die wie ein Regenbogen zur Nacht das Zimmer
mit bunten Strahlen süllte. Als sie erftaunt zuerft die
Augenlider und dann erschrocken sich selber in die Höhe
hob, ftand vor dem Bett nicht größer als ein Kind
ein greisenhaftes Mütterchen mit einer silbernen Laterne
und buntgeschliffenen Gläsern. Die bat sie flehentlich,
da sie so oft zu Kranken gegangen wäre, auch mit ihr zu
gehen, weil ihre Königin sehr krank geworden sei. Nun
war die Nacht zwar dunkel, doch weil die Frau beherzt
und guter Seele war, so zog sie eilend ihre Kleider an,
segnete die schlafenden Kinder und folgte der wunder-
baren Awergin. Die führte sie slußabwärts bis an eine
Treppe, die scheinbar zu der Lahn hinunter ftieg, jedoch
nach wenig Stufen von einem Gewölbe überdeckt immer
tiefer in einen langen Gang auslief, darin es von der
Decke tropfte, wie wenn er unter dem Fluß herginge.
Dann kam ein kleines Tor, von einem Zwerg bewacht,
der eiligst beide Flügel öffnete, worauf sie in eine Halle
traten, von der gleich einem Fächer hellerleuchtete Gänge
ausstrahlten. Oer mittelfte war weiter als die andern
und führte bald an eine Perlmuttertür, die auf ein
leises Klopfen geöffnet wurde. Daraus erschien eine
Dame, der andern gleich an Wuchs, doch herrlich in der
Kleidung. Die nahm sie bei der Hand, während das
Mütterchen mit dcr Laterne draußen bleiben mußte, und
führte sie in Eile durch prunkende Gemächer in eine
nicht sehr große, doch von Kristallen glitzernde Halle,
wo auf einem kleinen Bett von Seide die junge Zwergen-
königin in tiefer Ohnmacht lag, umgeben von ihren
Frauen, die hilflos bei ihr ftanden. Nun war die Frau
von Marioth in allen Dingen der Krankenpflege wohl
erfahren und wußte auch so bald zu helfen, daß schon
nach einer Stunde die Zwergenkönigin zwar blaß und
ohne Kraft sich zu bewegen, doch ihrer Schmerzen wohl
entbunden auf dem Bett lag. Obwohl sie kaum zu
sprechen vermochte, gab sie der tapferen Helferin einen
Ring, indem sie ihr bedeutete, sie möchte damit am
Johannisabend beim Untergang der Sonne sich an dem
Fuß des Silberberges finden und von der Lahn den
Pfad hinaufsteigen, bis sie einen Raben und einen
Habicht im Streit um eine tote Taube treffen würde.
Die Stelle solle sie sich merken und danach den Ring
verwahren; solange er in der Familie bliebe, ginge auch
das Glück nicht fort. Darauf wurde sie von der selben
Dame wie vorhin hinaus begleitct bis in die Halle, wo
wiederum das Mütterchen mit ihrer Laterne auf sie
wartete und sie den gleichen Weg durch das Gewölbe
die Treppen hinauf- und hinausführte, wo sie die frische
Luft in vollen Iügen atmete. Sie ging danach todmüde
nach Haus, fand ihre Kinder wohl und schlief wie eine
Tote bis in den Morgen. Dann glaubte sie aus einem
schweren Traum zu erwachen; doch wie sie nach ihren
Händen sah, saß an demFinger der goldcne Ring und war

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