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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 15.1908

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Lur, Joseph August: Wie ich Töpfer wurde
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https://doi.org/10.11588/diglit.26458#0061

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Hermann Seidler, Konstanz: Vasen und Blumenschalen.

ich Töpfer wurde.

Herrgott, das hätte ich mir nicht gedacht,
daß selbst ein so simples Blumengeschirr,
das man für ein paar Heller kaust, gar so viel Kunst
und Fleiß kostet, wenn es recht gelingen soll. Als ich
mich selbst an die Töpferscheibe setzte, war es der erste
Gegenstand, an dem ich meine Niederlagen und meine
Siege erlebte. Alles Wesentliche der Technik kommt bei
diesen einfachen Gebilden in Anwendung. Dieses GotteS-
handwerk hat seine Schwierigkeiten. Von 50 Töpfern
können heute nur durchschnittlich zwei auf der Dreh-
scheibe arbeiten. Millionen von Schülern hören alljährlich
im Geschichtsunterricht von der legendären Kunst der
Töpferscheibe, die an der Schwelle der menschlichen
Kultur
stand. Die


Hermann Seidler, Konstanz: Vasen.

Gebildes. Von hier ist nur
ein kleiner Schritt zu den
künstlerisch höchsten Erzeug-
nissen der keramischen Kunst,
deren Marke die Scblichthcit
und die Güte ist. Seit Jahr-
tausenden hat die Mensch-
heit der Kunst und Technik
der Töpferware nichts Neues
hinzufügen können, so voll-
kommen war sic von früheren
Jahrtausenden ausgcbildct
und überliefert. Also war ich
entschlossen, das Erbe der
Jahrtausende anzutrcten.
Der Töpfermeister schüt-
telte den Kopf, als er mein
Anliegen hörte. „Das wird
nicht gehen," meinte er.
„Warum nicht?" „Ja, das
ist eine schwere Sach, — na,
versuchen Sic's halt!" Er
hatte offenbar gar kein Ver-
trauen zu seinem Lehrling.
Ich ließ es mir nicht zwei-
mal sagen und begab mich

allerwenigsten wissen, wie so ein Ding in Wirklichkeit
aussieht, wie man damit arbeitet und wie mannigfaltig
seine künstlerischen Beziehungen zum Leben sein können.
Seit Jahrtausenden hat die Kunst der Töpferscheibe
nichts Geringeres und nichts Höheres Hervorbringen
können, als die zahlreichen entzückenden Gesäßformen,
die wir alten Königsgräbcrn entnehmen und als den
Maßstab vergangener künstlerischer Kultur betrachten.
Nichts Geringeres, als der Anfang der Baukunst liegt
bei der Töpferscheibe. Gottfried Semper spricht es aus:
Der Nileimer enthält alle monumentalen Gedanken vor-
gebildet, welche die ägyptische Baukunst nachher verwirk-
lichte. In dem jahrtausendalten vielverzweigten Stamm-
baum der Töpferkunst hat auch unser elendes Garten-
gcschirr seine, wenn auch untergeordnete Stelle. Ich
sage deshalb: alles Technisch-Elementare liegt in der ord-
nungsmäßigen Herstellung eines solchen unscheinbaren

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Hermann Seidler, Konstanz: Vasen.

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