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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 15.1908

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Heft 2
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Kautzsch, Rudolf: Eine letzte Entgegnung
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https://doi.org/10.11588/diglit.26458#0084

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me letzte Entgegnung.
Cornelius Gurlitt hat im Novemberheft der „Rheinlande"
(S. 155) auf meinen Artikel über die Wormser Dombaufrage
(im Septembcrheft dieser Zeitschrift) erwidert und dabei einige
Fragen an mich gerichtet, die ich beantworten muß. Erstens:
aus dem Material, das mir seinerzeit vorlag, ging nicht her-
vor, ob Hofmann im Juni I90ö noch an eine wirkliche voll-
ständige Rekonstruktion des Kreuzgangs und an einen Wieder-
aufbau des Kapitelhauses genau in den alten Formen gedacht
hat. Ich bin diesem Punkt nicht nachgegangen, weil er für
meine Auseinandersetzung nicht ins Gewicht fiel; wie wenig, mag
man daraus ersehen, daß ich ja selber angeführt habe, Gabriel
von Seidl habe sich damals für eine mehr oder weniger strenge
Rekonstruktion des einst Gewesenen an der Südseite des Wormser
Doms ausgesprochen. Das eine wie das andere war und ist
belanglos. Die Hauptsache bleibt: schon vor eben jener Kunstrat-
sitzung im Juni 190S war das Projekt, das einen ganzen oder
teilweisen Wiederaufbau der verschwundenen Bauten am Dom
vorsah, gefallen. Hofmann konzentrierte seine Arbeit seither auf
das Problem der Platzgestaltung. Den Gedanken, den Kreuz-
gang wiederherzustellen, hatte er aufgegeben, und die Frage, in
welcher Form das Kapitelhaus (als Pfarrhaus) wieder erstehen
sollte, offen gelassen. Darauf allein kam und kommt es mir
an. Zweitens: im Mai 1-07 hat Hofmann unter „Rekonstruktion
des ehemaligen Zustandes", wie ich auf das bestimmteste ver-
sichern kann, lediglich die Plahaufteilung, die Wiederherstellung
des organischen Zusammenbangs der noch erhaltenen Baureste
an der Südseite des Wormser Doms verstanden, so wie sic sein
Projekt angibt. Näheres darüber steht in meinem Artikel. Ebenso
sind drittens die Erklärungen des Herrn Neinhart aufzufassen.
Ich gebe zu, daß diese Erklärungen mißverstanden werden können,
besonders von denen, die die Sachlage nicht genau kennen.
Aber es ist nicht daran zu denken, daß Herrn Rcinharts Wünsche
hinsichtlich einer Rekonstruktion des einstigen Zustandes in formaler
Beziehung über die Absichten Hofmanns ernstlich hinausgchen
sollten. Doch nehmen wir einmal an, es wäre so. Setzen wir
den Fall, der Domkirchenvorstand in seiner Gesamtheit könnte
von sich aus auf eine „stilgerechte" Erneuerung der verschwundenen
Bauten an der Südseite des Doms dringen. Nach allem, was
ich von dem Kirchenvorstand weiß, ist das ausgeschlossen, aber
lassen wn die Annahme einmal gelten: auch dann besteht noch
keine Gefahr. Denn cs ist undenkbar, daß die Gemeinde eine
Stilfrage gegen den Dombaumeister, den Kunstrat, den Denkmal-
rat und die Negierung siegreich verfechten könnte. Daß die
zuletzt genannten Instanzen nicht für eine archäologisch treue
Wiederherstellung des einstigen Zustandes am Wormser Dom zu
haben sein dürften, das glaube ich nach meiner Kenntnis von
den Dingen versichern zu können. Aber, wie gesagt, zunächst
habe ich.gar keine Veranlassung, anzunehmen, daß Herr Neinhart bei
seinen Äußerungen unter einer Wiederherstellung des alten Gesamt-
zustandcs an der Südseite des Wormser Doms etwas anderes
als die von Hofmann geplante Platzaufteilung und den Aufbau
eines Pfarrhauses an Stelle des verschwundenen Kapitelhauses im
Sinne Hofmanns verstanden hat. Ganz entsprechend ist Gurlitts
vierte Frage richtigzustellen. Die Äußerung Hofmanns bezieht
sich auf die Kunstratverhandlung von I90ö, besonders auf das
mehrfach erwähnte Urteil des Kunstratmitgliedes Gabriel von
Seidl, daß es Hofmann bei seinen Entwürfen auch I90ö schon
in der Hauptsache, und 1907 ganz allein auf die Platzgestaltung
ankam, nicht auf die vollständige stilgerechte Wiederherstellung
der verschwundenen Bauten; das habe ich in meinem ersten
Artikel für jeden, der ohne Voreingenommenheit prüft, hoffentlich
überzeugend dargetan. Ich führe hier nur noch einmal Hofmanns
unzweideutige Erklärung vom 18. Juni 1907 an: „Mein Vor-
schlag will weiter nichts, als daß einmal ein Pfarrhaus mit
Küsterwohnung gebaut werden kann. Wer das baut, wie es
gebaut wird, ist mir gleich." Im übrigen verweise ich auf
meine früheren Ausführungen.
Nach alledem kann ich also auf die entscheidende Schluß-
frage Gurlitts nur mit einem runden Nein antworten. Die Ab-
sicht, den Dom „durch Anbauten, für die ein Zweck erst gesucht
werden sollte, zu verschönern", hat überhaupt nie bestanden. Cs
hat sich mindestens seit der Kunstratsitzung im Juni 1900 nicht
um eine Rekonstruktion verschwundener Bauten, sondern um eine
Rekonstruktion der alten Platzaufteilung gehandelt. Das Pfarr-
haus, das an den Dom „angebaut" werden soll, ist nicht nur
an sich ein Bedürfnis, sondern nach unserer Überzeugung eben

an der Stelle des alten Kapitelhauses notwendig. In welchen
Formen dieses Pfarrhaus gebaut wird, ist — mindestens seit dem
Frühjahr 1907 — eine offene Frage. Es ist also nicht zutreffend,
daß vor kurzem noch die Absicht bestand, dieses Pfarrhaus in den
Formen des zu Anfang des 19. Jahrhunderts abgerissenen Kapitel-
hauses wieder aufzubauen. Dies ist der wirkliche Sachverhalt.
Ich muß danach dabei bleiben, daß die Gutachten in den Nhein-
landen nebst der Einleitung dazu geeignet waren, in nicht näber
unterrichteten Kreisen falsche Vorstellungen von den Absichten der
wirklich maßgebenden Faktoren in der Wormser Frage zu erwecken.
Die Verfasser der Gutachten sind eben über diese Absichten nicht
genügend unterrichtet gewesen. Darum konnten die Gutachten so
ausfallen, daß sie scheinbar ihre Spitze gegen die Pläne Hofmanns
kehrten. Freilich nur scheinbar. Denn tatsächlich verfehlte» die
Gutachten — soweit sie sich direkt auf den Wormser Fall beziebe» —
das Ziel. Im Sommer 1907 trugen sich die zunächst Beteiligten nicht
mit dem Gedanken, die verschwundenen Bauwerke am Wormser Dom
wieder aufzubauen. Zur Erörterung stand vielmehr Hofmanns
Plan einer Platzgestaltung an der Südseite des Doms. Auf diesen
Plan gingen die Gutachten nicht ein, und Gurlitt kommt auch jetzt
noch nicht auf ihn zu sprechen. Wir aber werden uns den Tatbestand
nicht verdunkeln lassen: um diesen Plan dreht es sich, nicht um An-
sichten oder Projekte, die vielleicht im Jahre 190ü bestanden haben.
Ich habe mich bemüht, die ganze Angelegenheit sachlich zu
behandeln. Ich sehe auch jetzt keine Veranlassung, den Ton der
ruhigen Auseinandersetzung aufzugeben. Darum mag die Be-
merkung, mit der Gurlitt seinen offenen Brief an mich schließt,
unerwidert bleiben. Rudolf Kautzsch.
asari.
Kaum ist unter allen literarischen Quellen der Kunst-
geschichte ein Name bekannter. So viele irrtümliche Einzelheiten
ihm in seinen Lebcnsgeschichten der berühmtesten Architekten, Bild-
hauer und Maler der italienischen Renaissance auch nachgewiesen
werden können, so bleibt das berühmte alte Werk doch immer eine
ungemein wichtige Fundgrube. Vasari, der selbst noch mitten unter
den Renaissancckünstlern als mediceischer Hofmaler lebte und alles
zusammentrug, was er über die italienische Kunst des späteren
Mittelalters und der früheren Renaissance erfahren konnte, ist
unerschöpflich in seiner Fülle von Berichten über Kunstwerke und
deren Entstehungsgeschichte und über die Schicksale der Künstler,
sowie schließlich nicht weniger in allerlei „Atelier-Klatsch" der
verschiedensten Schattierung aus dieser tüchtigen Zeit.
Schon vor 60 Jahren ist Dasaris Werk einmal ins Deutsche
übertragen worden, diese Ausgabe ist jedoch schon seit Jahren
vergriffen. Deshalb ist die Neu-Ausgabe schon an und für sich
ein dankenswertes Unternehmen des bekannten reichsländischen
Verlags. Vor jener älteren Übersetzung, in der das Original
sehr frei behandelt ist, hat die neue den nicht geringen Vorzug,
daß sie sich möglichst eng an dessen Wortlaut anschließt. Der
neue deutsche Vasari'' wird überall mit Freuden begrüßt werden.
Von den sieben Bänden sind bis jetzt vier erschienen, der Rest
soll im Laufe des nächsten Jahres Nachfolgen. Don den bislang
erschienenen enthält Band II die florentincr Maler des 15. Jahr-
hunderts, Band III die italienischen Architekten und Bildhauer
des 15. Jahrhunderts, Band V die obcritalienischen Maler,
Band VI die slorentinischen Maler des l ö. Jahrhunderts. Die
Übersetzung liest sich flüssig und läßt bei der Lektüre die Arbeit kaum
ahnen, welche dahinter steckt. Denn Vasaris manchmal etwas
schwülstige und nicht immer ganz klare Ausdrucksweise bietet der
Übersetzung große Schwierigkeiten. Dieselben sind jedoch von
G. Gronau und A. Gottschcwsky mit so viel Geschick und Ge-
schmack überwunden worden, daß die Lektüre dieser Künstler-
Monographien ein Genuß ist. Interessant und für den Kunst-
historiker von großem Werte sind die sachlichen Anmerkungen,
die Vasaris Unzuverlässigkeiten nach dem Stande der modernen
Kunstforschung berichtigen und die mannigfaltigsten Nachweise
über die im Text erwähnten Kunstwerke geben. Th. Knorr.
ie Boehle-AuSftellung
zu Frankfurt wird erst in nächster Nummer die versprochene
Besprechung finden können, weil unser Mitarbeiter Wert daraus
legt, die Bilder von Hodler in der Frankfurter Ausstellung des
Verbandes zum Vergleich heranzuziehen. Die Red.
' Giorgio Vasari: Die Lebensbeschreibungen der berühmtesten Architekten. Bildhauer
und Maler. Deutsch von A. Gottschewsky und G. Gronau. Verlag von I. H. Ed. Hettz.
Stratzburg i. Elsaß.




Herausgeber W. Schäfer, Verlag der Rheinlande G. m. b. H., Druck A. Bagel, Düsseldorf.
 
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