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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 15.1908

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Heft 3
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Gischler, W.: Fritz Boehle und seine Ausstellung im Städelschen Institut
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ritz Boehle*
und seine Ausstellung im Städelschen Institut.
Ich habe mir von dem Herausgeber der „Rhein-
lande" die Erlaubnis erbitten müssen, vorerst die
Schweizer Ausstellung des Verbandes in Frankfurt ab-
warten zu dürfen, weil ich mir aus den Werken Hodlers
eine Klärung und Stärkung der Begriffe erhoffte, aus
denen die Fremdheit der Boehleschen Malereien dem
modernen Gefühl näher zu bringen ist. Denn kein
Zweifel, daö erste Gefühl vor diesen Bildern ist ein
Unbehagen, das durch die Einsicht ihrer Schönheit, ja
Vollkommenheit nur noch verstärkt wird. Wer die
Malerei wie einen reichen farbigen Garten liebt, der muß
sich erst durch Nützlichkcitöcrwägungen dazu bringen, daß
er daö Aufpfropfcn von Edelreisern gutheißen kann. Und
nur die Hinsicht auf einen großdekorativen, monumen-
talen Stil, der nach den gastronomischen Feinheiten des
Impressionismus bei uns heute so in der Luft liegt,
wie bei den Franzosen zu den Zeiten van Goghs, kann
uns bestimmen, einen ersehnten Aufschwung von einem
anscheinenden Rückschritt auf frühere Größe für möglich
zu halten. Da zweifellos auch bei Hobler der Ver-
gleich mit Kunstwerken vergangener Zeiten mindestens
sa nah liegt wie mit modernen (da wir die Fremdheit
zum Gegenwärtigen natürlich stärker empfinden als
zum Vergangenen): schien es mir nicht unmöglich, die
beiden auf einmal als Kämpfer nebeneinander zu er-
blicken für jenes Prinzip einer großen Malerei.
Da zeigte sich nun gleich in der Entwicklung beider
Künstler (von beiden waren Frühwerke zu sehen) ein
grundsätzlicher Unterschied. Bei Hobler vom ersten An-
fang an eine außerordentliche Betonung des Zeichnerischen,
einer bis inö letzte klar ausgedrückten Form, die mit
fortschreitender Klarheit und Energie ihren schnurgeraden
Weg ging, indessen seine Farbenanschauung gleichsam
einen weiten Halbkreis darum umschrieb: von der auf
Schwarz gestimmten Koloristik Courbets zum sammetnen
Grau der bekannten Nacht und endlich in jene Hellig-
keit hinein, die wir an seinen Meisterwerken wahrnchmen.
In dieser Entwicklung ist keine einzige Abbiegung, alles
ein konsequenter Durchbruch durch die Konvention zur
eigenen Persönlichkeit, vielmehr zu ihrem immer klarer
erkannten Prinzip: der Weg des Genies.
Anders bei Boehle. Die frühen malerischen Bild-
nisse, die farbigen Allegorien und die beiden Bauern in
der Stube wollen nicht so überzeugend als das Werk
von einem Meister eingehen, und jedenfalls ist es ganz
vergeblich, sowohl von der Farbe wie von der Zeichnung
" Ich muß gestehen, daß ich nur mit einigem Widerstreben
diese Darlegung unseres von den Lesern gleich mir geschätzten
Mitarbeiters zum Abdruck bringe. Ich denke mir die Aufgabe
der „Rheinlands" immer mehr als eine pädagogische, daß sie
auch dem Laien Erscheinungen verständlich mache, die sonst nur
dem Künstler und Kunstfreund geläufig sind. Da aber diese
Ausstellung zum wenigsten in Frankfurt auch das Publikum in
weiten Kreisen angeregt hat, und da sie bei den Künstlern teil-
weise zu leidenschaftlichen Ergüssen führte, von denen mir einige
auf den Tisch flogen! so scheint es mir doch Pflicht der rhein-
ländischen Kunstzcitschrift, den Fall Boehle klarstellen zu helfen.
Vielleicht ruft diese Darlegung einen Widerspruch hervor, den ich
dann gleichfalls gern abdruckcn würde. Der Herausgeber.

aus, den Eindruck eines konsequenten Wegs zu finden.
Man steht vor Sprüngen, fast vor Launen; dies letztere
aber doch wohl nur, weil seine Ausstellung ein wesent-
liches Teil von seinem Werk ganz unterschlug, die be-
kannten Landschaftsbilder mit Schiffen usw. Wenn man
dann bedenkt, daß er sich seinen Namen außerhalb von
Frankfurt mit Radierungen machte, so müßte man in
seiner Zeichnung zuerst nach einer Einheit suchen. Nun
weiß man aber, daß die auch da fehlt: der Übergang
vom malerischen Boehle, der sich in den Ritter-Radie-
rungen deutlich als Diez-Schüler zeigt, zu der strengen
Art der Mainschiffer-Radierungen ist der grundsätzliche
Wechsel eines Prinzips, während der Weg von da zur
statuarischen Ruhe des heiligen Martin (der in dieser
Zeitschrift abgebildet war) schon konsequenter ist. Ob-
wohl auch hier ein aufmerksames Auge eine Knickung
erkennt, wenn es z. B. dieses Blatt mit dem bekannten
Rückzug von Marignano Hodlers (ganz abgesehen
von dessen Farbe) vergleicht: beides nach altem Fach-
auödruck Historien; warum wirkt die eine (Hodlcr)
ganz modern, die andere ganz wie ein alter Italiener?
An eine gerade Entwicklung in der Farbe zu denken,
ist noch unmöglicher. Ganz abgesehen von den frühen
Bildnissen stehen die farbenschönen Allegorien zwischen
den bekannten bräunlichen Mainlandschaften und dem
letzten Bauernbild wie eine Episode, und das Beun-
ruhigende ist daran, daß diese Episode der Rücksprung
eines fertigen Künstlers auf Dinge ist, die sich an an-
dere bekannte Namen heften: so daß sich doch der Ein-
druck von Launenhaftigkeit hierin verstärkt. Nimmt
man hierzu, daß die genannten Mainlandschaften nicht
gar so fremd in einem Saal alter Holländer hängen
könnten, daß sie in dem Gemisch von Archaismus und
eigener Beobachtung immer beunruhigend wirkten: so
fühlt man sich mehr einer alleökönnenden Begabung,
also einem Proteus-Talent, als einem sich selbst er-
füllenden Genie gegenüber.
Nichts wäre leichtsinniger und auch wohl komisch,
als aus solchen Bedenken die Kunst Fritz Boehles gering
zu schätzen. Selbst wenn wir nichts von ihm hätten
als diese Episode seiner Allegorien, die den eigentlichen
Inhalt der Ausstellung im Städel bilden: sie würden
zur respektvollen Betrachtung seiner Kunst genügen,
weil sie als künstlerische Werke auf einen Grad der
Vollendung gebracht sind, der sonst nur bei den Großen
zu finden ist. Und zwar farbig wie zeichnerisch nicht
nur zugleich, sondern auch in einer gegenseitigen Durch-
dringung und Ergänzung. Daß die zeichnerische Be-
gabung Boehles verblüffend ist und alles kann, weiß
man; auch daß sie zur monumentalen Größe drängte.
Die Farbe dagegen ist eine Überraschung: sie klingt in
tiefen schwärzlich und grau gebrochenen Tönen wie ein
farbenschönes altes Kirchenfenster; und weil sie die
Zeichnung nicht nur dekoriert, sondern eins mit ihr
geworden ist im Aufbau: so sind hier tatsächlich dekorative
Bilder entstanden, deren Vollkommenheit verblüffend
ist, so daß wir an die mühsamen Quälereien Marses
um diese Dinge fast verwundert denken, indem ihre
Lösung hier auf der Hand zu liegen scheint.
Hieran ist nichts zu mäkeln, wie an der schon ge-
nannten Radierung St. Martin, für sich selber betrachtet,


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