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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 15.1908

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[Heft 6]
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Geiger, Albert: Ein Wort zu Goethes "langweiliger Prosa"
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Schur, Ernst: Museum und Raumkunst
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https://doi.org/10.11588/diglit.26458#0203

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Ein Wort zu Goethes „langweiliger Prosa".

sehr sucht, wie sie dem Individuellen gerecht wird. Im
„Briefwechsel zwischen Schiller und Goethe" wird
mancher Langweiliges finden, weil er nicht die Kraft
hat, dem geistigen Leben dieser Briefe näher zu treten.
Oft auS dem Grunde, weil ihn einige rein im Geist
der Zeit begründete Redegewohnhcitcn abstoßen. Etwa
wie wenn man ein Gemälde langweilig fände, weil es
einen veralteten Rahmen hat. Von der funkelnden
Prosa in einzelnen Szenen des „Clavigo" oder im
„Faust" (Trüber Tag) ganz zu geschweigen. WaS
bleibt also von „Langweiligem und Einschläferndem" in
Goethes Prosa? Höchstens ein gewisser Alters- und
Aktenstil, der sich manchmal störend geltend macht.
Aber wer nur Liebe zur Persönlichkeit Goethes hat,
wird auch da manches von höchstem Werte finden.
Herr Gors ist der Meinung, man müsse in Goethes
Prosa zu viel über die Bedeutung der Worte Nach-
denken, und das eigentliche „Bedenken" der Sache
komme dabei zu kurz. Das heißt mit andern Worten:
Goethes Prosa ist ihm zu gedrängt mit innerem
Leben. Er mag sich nicht die Mühe machen, dieses
oft unter der Oberfläche Liegende zu erschöpfen. Gerade
diese Eigenschaft, die mit der Liebe Goethes, sich zu
verhüllen, Zusammenhänge, gibt der Goetheschen Prosa
den unablässig wechselnden Reiz, den Reichtum, das
besondere Gepräge, das Sprach-Akrobaten wie Hermann
Bahr vergeblich nachzuahmen versucht haben. Also die
Vieldeutigkeit von Goethes Prosa, alles das, was an
Unterströmen mitflutet, ohne daß der Hauptstrom in
seinem klaren Laufe gehemmt wird, das macht uns
seine Prosa interessant. Interessanter wie die Lessingö
oder selbst Schopenhauers. Es ist zuweilen vielleicht
zu sehr die Prosa des Menschen oder des Dichters, die
Goethe schreibt. Alles dies ermüdet Herrn Gorö, der
da Armut und Langeweile sieht und eingeschläfert wird,
wo andere reich und lebendig werden.
Herr Gors meint endlich: das deutsche Volk möge
mehr „Faust" als die Prosaschriftcn lesen. Seltsam:
gerade im „Faust" ist die Vieldeutigkeit aufs höchste
gesteigert. Gerade hier muß unter dem Sinn und
Bezug des Wortes das klare „Bedenken" am meisten
leiden. Woher nun dieser Widerspruch? Etwa weil
Goethes Verse wenigstens zuweilen „amüsant" sind?
Wir unsererseits bedauern keineswegs, daß Goethes
Prosaschriften, vor allem die Briefwechsel voll ihres
wunderbar warmen Sprachlebens (Briefe an Frau von
Stein), wieder und wieder in neuem Gewände auf-
gelegt werden. Wir erblicken darin sogar ein gutes
Zeichen!
Alles in allem: eS ist nicht die letzte Absurdität,
die über Goethe gesagt worden ist. Und Herr Gors
wird nicht der letzte sein, der an Goethe sich zu reiben
und so darzutun versucht, daß er ein „Eigener" ist und
„Mut" hat. Je ärmer unsere Zeit ist, desto mehr
solcher „Helden" tauchen auf. Ist doch eigentlich der
ParoleauSgebcr für dieses „Zerbrechen der Werte"
Nietzsche, der Typus dieses „Mutes", der Typus einer
armen Zeit, die ihre Armut empfindet und in einigen
Individuen dieses Mißbehagen daran ins Groteske
steigert, indem sie dem Schätzenswerten der vergangenen
Zeit den Prozeß zu machen sucht. Um nur noch kleiner

zu werden denn sie vorher waren- Wir bedauern Gors,
daß er Goethes Prosa „langweilig und einschläfernd"
findet. Es ist ein tobtimomum für die eigene paupsrtas.
Ja, wir sind boshaft genug, zu hoffen, daß er mit
seiner alt-neuen Methode keinen allzugroßen Selbsterfolg
hat. So gerne wir ihm einen solchen gönnten!
Albert Geiger.
useum und Raumkunst.
Neue Pläne zur Ausgestaltung der Museen
hat Generaldirektor Bode in einer Denk-
schrift dargclegt.
Es ist nun an der Zeit, darauf hinzuweisen, in
welcher Weise die moderne Raumkunst den Museen
dienen kann. Zweifellos ist da eine Lücke, die die Ent-
wicklung ausfüllen muß. Denn rückwirkend zieht die
dekorative Kunst (die Dresdener Ausstellung illustrierte
in der Mannigfaltigkeit ihrer Aufgaben diese Tendenz)
alle Gebiete in ihren Bereich, ergründet durch erneute
Fragestellung die Notwendigkeiten und sinnt auf neue
Mittel und Schönheit. Da ist es selbstverständlich, daß
in der Folgezeit auch die Museen davon betroffen werden,
die als staatliche Institute, als Sammelstätten der
reifsten Kunsterzeugnisse vorbildlich wirken müssen.
Es soll hier nicht daö Pädagogische untersucht werden.
Etwa: wie werden die Kunstschätze an: besten dem Publi-
kum dienstbar gemacht? Es soll auch nicht die Frage
erörtert werden, ob die sogenannten Frciluftmusecn der
Kunsterkenntnis förderlicher sind, als die rubrizierende
Aufstellung und Anhäufung. Vielmehr soll das Be-
stehende als Ausgangspunkt genommen werden.
Bei Gelegenheit der von Generaldirektor Bode ver-
faßten Denkschrift wurde auch einer Ausarbeitung von
I88Z Erwähnung getan, die die Kaiserin Friedrich zur
Verfasserin hat. In dieser finden sich bezeichnende Sätze,
die für die damalige Zeit neu und interessant waren.
Es wird da von der Ermüdung und Verwirrung ge-
sprochen, die den Laien bei dem Besuch der Museen
überfällt. Und es heißt da: ,„Kann aber einer nationalen
Baukunst eine schönere und sympathischere Aufgabe werden,
als die herrlichsten Kunstwerke vergangener Zeiten richtig
zur Geltung zu bringen? Sollen denn die Museen nur
Speicher sein, worin die Schätze wcggestellt sind, die
man mit so ungeheuren Kosten, großer Mühe, Geschick
und Wissen gesammelt hat? Sollte man nicht ebenso
glücklich aufstellcn wie sammeln können im Sinn der
ausübenden Künstler, die ihren Rat ja im Interesse der
älteren Kunst gewiß gern gewähren werden?"
Diese Sätze sind intelligent und weitsichtig und fassen
das Ziel scharf ins Auge. Freilich, eine gute Erkenntnis
zeugt nicht immer gute Taten. In diesen, Fall war
das Resultat: Ihne und das Kaiser-Friedrich-Museum.
An diesem Bau aber, von dem man annahm, daß er
im Sinne der Kaiserin Friedrich errichtet sei, läßt sich
gerade erweisen, was wir vermissen. Abgesehen von der
in größerem Umfang ermöglichten Raumausdehnung der
einzelnen Abteilungen, liegt die Bedeutung im Negativen.
Die burcaukratisch geleitete Kunstvcrwaltung hinkt hinter
der künstlerischen Praxis einher und wir befanden unS
 
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