Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 15.1908

DOI Heft:
[Heft 6]
DOI Artikel:
Schäfer, Wilhelm: Der Impressionismus in Leben und Kunst
DOI Artikel:
Rathenau, W.: Rexlefionen
DOI Artikel:
Schäfer, Wilhelm; Schopenhauer: Künstler und Künsteler
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.26458#0209

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
stärkt, daß er uns zur objektiven Beobachtung unserer
selbst zu führen nicht müde wird, so daß wir den Im-
pressionismus weder als ein Ziel noch als eine Ver-
irrung sondern als eine Lebensform sehen, der zum
Trotz die ewig lebendige Kunst zu harmonischen Werken
zu kommen versucht. Den Impressionisten mag es eine
Stärkung sein, daß sie durch Harnann in die Nach-
barschaft zum alten Rembrandt, Goethe und Beethoven
gebracht werden, und ihren Gegnern eine Mahnung,
ihre Ablehnung nicht so sicher aus dem Boden der bis-
herigen Kunst gegründet zu sehen.
Eins hätte ich mir an dem Werk noch hinzu ge-
wünscht: eine Heranziehung der „jungen" Dinge aus
unserer Zeit, der Straffheit unserer Maschinen- und
Ingenieurbauten. ES läßt sich nicht leugnen, daß
vieles, was unter dem Namen Impressionismus geht,
in einem elementaren Trieb nach Sachlichkeit und Heller
Klarheit eine ganz andere Begründung findet, daß in
manchem, was wie alternde Auslösung scheint, sich Neues
ungebärdig vorbereitet. Und daß auch der Grundtrieb
des malerischen Impressionismus unserer Tage die lang
gesammelte Leidenschaft ist, das Licht als Kompositions-
mittel zu gewinnen. Insofern könnte man Hamann
vorwerfen, daß er etwas in die Befangenheit aller
philosophierenden Köpfe geraten sei: die Welt allzusehr
als Beweismittel für ihre Theorie, ihr System zu sehen.
Doch liegt, wie auch sonst, gerade in der unbcirrten
Beleuchtung die Stärke des Eindrucks. Sein Thema
ist der Impressionismus, mit allen Wurzeln und
Würzelchen sorglich aus dem Erdreich gehoben und
vorgezeigt. Nun lassen sich mit Schlagworten, Ab-
neigungen und Uberhebung seine Erscheinungen nicht
mehr im Tagesgesecht aufbrauchen. Wer sich damit
auSeinandcrsetzen will, wird mit diesem Buch ansangen
müssen, das mir immer mehr für die Nachwelt ein
unschätzbares Dokument (wie es nur unsere Zeit fest-
stellcn konnte) und für uns Lebende eine außerordent-
liche Orientierung zu bedeuten scheint. Ein Buch in den
hohen Absichten Jakob Burckbardts; was es hinter
dessen Kultur der Renaissance an Klarheit und Sicherheit
Zurückbleiben muß, gewinnt es an Wagemut und be-
freiender Wirkung. Was der Verfasser einmal auö-
spricht, daß der Impressionismus unserer Zeit anfinge,
„jüngste Vergangenheit" zu werden, scheint erst mit
diesem Buch Tatsache, das seine historische Feststellung
mit Kenntnis und Geschick und, wie mir scheinen will,
mir Glück unternommen hat. S.
Reflexionen.
(Ungeschriebene Schriften dXXXX.)*
Dem Deutschen, bei seiner Gewissenhaftigkeit und
seinem Hang zum Absoluten, wird das Schreiben schwer.
Er möchte seinem Gedanken die absolute, die chemisch
reine Form geben; cs soll nicht zu viel und nicht zu
wenig, vor allem nichts Zufälliges gesagt sein: und so
wird er abstrakt. Er sagt: Daö Hinauslchnen des
Körpers ist wegen der damit verbundenen Lebensgefahr
bei Strafe verboten. W. Rathenau.
* Aus „Reflexionen" von W. Rathenau (Verlag S. Hirzel,
Leipzig).

ünstler und Künsteler.
Man möge es mir nicht allzusehr verübeln,
daß ich Schopenhauer mit dieser Überschrift
ein bißchen vergewaltige. Ein Freund unseres Blattes
meinte, diese Sätze könnten auf den Boehle-Aussatz von
Gischler als Antwort dienen; mir aber scheint, es könnte
uns allen von Nutzen sein, den Sinn davon nicht zu
vergessen, der durchaus nicht nur der bildenden Kunst
gilt. Die „Idee" wird hoffentlich keiner in dem frag-
würdigen Sinn nehmen, der Dilettanten besonders ge-
läufig ist. S.
* *
*
Die Idee ist die wahre und einzige Quelle jedes
echten Kunstwerkes. In ihrer kräftigen Ursprünglich-
keit wird sie nur aus dem Leben selbst, aus der
Natur, aus der Welt geschöpft, und auch nur von
dem echten Genius, oder von dem für den Augenblick
bis zur Genialität Begeisterten. Nur aus solcher un-
mittelbaren Empfängnis entstehen echte Werke, die un-
sterbliches Leben in sich tragen. Eben weil die Idee
anschaulich ist und bleibt, ist sich der Künstler der Ab-
sicht und des Zieles seines Werkes nicht In abstracto
bewußt; nicht ein Begriff, sondern eine Idee schwebt
ihm vor: daher kann er von seinem Tun keine Rechen-
schaft geben: er arbeitet, wie die Leute sich ausdrücken,
aus bloßem Gefühl und unbewußt, ja instinktmäßig.
Hingegen Nachahmer, Manieristen, Imitatörss, scrvmn
xscns, gehen in der Kunst vom Begriff aus: sie merken
sich, was an echten Werken gefällt und wirkt, machen
sich es deutlich, fassen es im Begriff, also abstrakt, auf,
und ahmen es nun, offen oder versteckt, mit kluger
Absichtlichkeit nach. Sie saugen, gleich parasitischen
Pflanzen, ihre Nahrung aus fremden Werken, und
tragen, gleich den Polypen die Farbe ihrer Nahrung.
Ja, man könnte, im Vergleichen noch weiter gehend,
behaupten, sie glichen Maschinen, die, was man hinein-
legt, zwar sehr sein zerhacken und durcheinander mengen,
aber nie verdauen können, so daß sich die fremden Be-
standteile noch immer wiederfinden, aus der Mischung
hervorsuchen und sondern ließen: der Genius allein
gliche dagegen dem organischen, assimilierenden, um-
wandelnden und produzierenden Leibe. Denn er wird
von den Vorgängern und ihren Werken zwar erzogen
und gebildet; aber befruchtet wird er nur vom Leben
und der Welt selbst unmittelbar, durch den Eindruck
des Anschaulichen: daher schadet auch die höchste Bildung
doch nie seiner Originalität. Alle Nachahmer, alle
Manieristen fassen das Wesen fremder musterhafter
Leistungen im Begriffe auf; aber Begriffe können nie
einem Werke inneres Leben erteilen. Das Zeitalter,
d. h. die jedesmalige stumpfe Menge, kennt selbst nur
Begriffe und klebt daran, nimmt daher manierierte
Werke mit schnellem und lautem Beifall auf: die-
selben Werke sind aber Mch wenig Jahren schon
ungenießbar, weil der Zeitgeist, d. h. die herrschenden
Begriffe, sich geändert haben, auf denen allein jene
wurzeln konnten. Nur die echten Werke, welche aus
der Natur, dem Leben, unmittelbar geschöpft sind, bleiben,
wie diese selbst, ewig jung und stets urkräftig. Denn
sie gehören keinem Zeitalter, sondern der Menschheit an:
 
Annotationen