Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 15.1908

DOI Heft:
[Heft 6]
DOI Artikel:
Schur, Ernst: Die Berliner Sezession
DOI Artikel:
[Buchbesprechungen und Notizen]
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.26458#0212

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
diesem Nachwuchs Angst bekommen, so ist das ihr ganz persön-
liches Gefühl. Und ihr Fehler war vielleicht, daß sie diese Vor-
gänger ebenfalls zu einseitig lobten. Entwicklung ist aber Ent-
wicklung, und der wirklich kritisch Befrachtende wird weder in
einseitigen Enthusiasmus noch in einseitigen Entsetzensausbruch
verfallen, sondern versuchen, den Gang der Zeit zu begreifen.
Übertreibungen schleifen sich von selbst ab. In diesem ganz
amüsanten Intermezzo, das die sonst so vorgeschrittene Berliner
Kritik bereitete, spricht sich nur die Tatsache aus, daß eben auch
ein neues Geschlecht von Kritikern mit dieser neuen Kunst heran-
wächst. Ausstellungen sind Gradmesser der künstlerischen Ent-
wicklung und nicht Gelegenheiten zu übel angebrachten Tempe-
ramentsausbrüchen.
Das Ausland ist mit einer Reihe von Gemälden vertreten,
die die gleiche dekorative Note zeigen. Ebenfalls junger Nach-
wuchs Vaillard, Bonnard, Rouffel, Denis. Interessant ein
Deumier: „Drama". Ein prächtiges Beispiel von der packend
elementaren Art des Franzosen, der aus der alltäglichsten Gegen-
wart Kunst herausriß. Ein Blick aus dem dunklen Zuschauer-
raum auf die Helle Bühne. Zusammengeballt im Vordergrund
die Zuschauer; erregte Gesichter, wie Verzerrungen. Weich ver-
schwimmend im Hintergrund die Bühne. Das Pathos, die
mächtige Erregung der Physiognomien, sowie das fast Visionäre
des Bühnenvorgangs wirken aufs eindringlichste zusammen. Das
Bild ist im Besitz der Nationalgalerie.
Auffallend ist diesmal der Mangel an Werken auswärtiger
Sezessionsmitglieder. Jedoch ist Trübncr mit einer Kollektion,
meist Bildnissen, bei weitem umfangreicher vertreten, als die
einheimischen Mitglieder. Zu den besten Stücken gehören ein
paar männliche Porträts, die in ihrer weichen malerischen Art
an Leibl erinnern. Die weiblichen Bildnisse sind auffallend
stark in den Kontrasten und oft zu grell in den Farben. Kalck-
reuths Bildnisse haben eine ruhige Vornehmheit, deren schlichte,
ein wenig altmodische Art an die alten deutschen Maler erinnert.
Unter den Porträtarbeiten der Jüngeren nimmt Pankoks Bildnis
eines Herrn einen ersten Platz ein. Gleich eindringlich in der
Betonung des Charakteristischen und der momentanen Erscheinung,
wie in der kühlen Schönheit der Farben. Wie lebendig spricht
das Schwarz im Kopf- und Barthaar! Wie fein steht dieses
Grauschwarz hell und klar vor dem grausilbrigcn Hintergrund!
Eine Arbeit aus einem Guß; eine Schöpfung von frischer Eigenart.
Die Plastik zeigt kein Werk von überragender Bedeutung. Im
Grunde nur Variation, die die alten Kräfte an der Arbeit zeigt.
Zum Schluß eine allgemeine Bemerkung. Die Sezession
sollte sich nicht so abschließen gegen das moderne Kunstgewerbe.
Gerade die Tendenz in dem Nachwuchs legt das nahe. Es wäre
eine Auffrischung. Und ebenso sollte sie moderne Graphik pflegen.
Ernst Schur.
itzebutze.
Don der auch hier angekündigten Gesamtausgabe der Werke
Richard Dehmels (S. Fischer Verlag, Berlin) ist soeben der
VI. Band erschienen, der unter dem Titel „Kindergarten" alles
zusammenfaßt, was dieser Dichter merkwürdigerweise der Kinder-
seele zuliebe gedichtet hat. Da stehen nun mit mancherlei Ge-
schichten, aus denen das Märchen vom „Maulwurf" als ein
klassisches Stück herausleuchtet, jene Kindergedichte vereint, die,
mit dem schnurrigen Fihebutze-Gedicht beginnend, sich später zu
dem Buch auswuchsen, das mit den Kreidolfschen Bildern
jenen Umschwung in unsereren Jugendbüchern zumeist herbei-
führte, an dem wir uns heute freuen. Nachdem vor einigen
Jahren in Köln der Versuch gemacht war, daraus Text und
Musik für ein Weihnachtsspiel zu gewinnen, hat sich der Dichter
selber daran gegeben, ein Traumspiel daraus zu machen, das
von Hermann Zilcher in Musik gesetzt wurde und am 27. No-
vember vergangenen Jahres im Hof- und Nationaltheater zu
Mannheim aufgeführt wurde. Leider nicht mit besonderem Erfolg,
wie nachstehende Kritik meldet, die für unser Januarheft bestimmt
war und, wenn auch sehr verspätet, doch noch abgedruckt werden
soll, weil mir die Sache etwas mehr als nur aktuell scheint. Es
wäre schade, wenn eine nicht genügende Musik das Spiel für
unsere Bühnen erledigt hätte. Es könnte in unserer Theaterci
mancherlei Wege zeigen. S.
„Fitzcbuhe". Traumspiel in fünf Aufzügen von Richard
Dehmel, in Musik gesetzt von Hermann Zilcher. Urauf-
führung im Hof- und Nationaltheater am 27. November 1907.

(Buchausgabe bei 6. Fischer, Berlin, Klavierauszug bei A. Schott
Söhne in Mainz.)
Die Uraufführung dieses Bühnenwerks, mit dem sich uns
einer unserer berühmtesten Dichter zum erstenmal als Librettist
und ein in weiteren Kreisen wenig bekannter Musiker als Opern-
komponist vorstellen sollten, schien eine neue Gattung von Bühnen-
dichtung, einen neuen Typ für die Schaubühne zu verkünden:
eine Oper, deren Hauptrolle ein Schauspieler oder Tänzer mimt
und worin der Posten des Maschinenmeisters dem des Dirigenten
weder an geistigen Anforderungen noch an künstlerischer Bedeutung
nachsteht, eine Dichtung für Orchester, Gesang, Pantomimik und
Bühnenaufwand, die zugleich das harte Ringen des Geistes in
ein weiches Spielen des Lichts verwandelt, die also, wenn wir
uns die Idee zu idealer Vollkommenheit ausdenken wollen, für
Ohr und Auge, Sinn und Sinne, Phantasie und Verstand gleich
bedeutend und freudevoll sein sollte.
Es obliegt uns jedoch zu berichten, daß diese Idee ihre
ideale Verwirklichung nicht erfuhr. Die Dichtung versprach und
enthielt zwar das Beste und Schönste. Sie erfüllte alle Er-
fordernisse eines Librettos, war einfach, handgreiflich, phantastisch
und spannend und gab darüber hinaus noch Köstliches: eine
Fülle wundervoller Einfälle, herzlichen Humor, bald kindlich, bald
väterlich, farbcnbunte, bewegte Bilder und Verse voll musikalischer
Möglichkeiten.
Ich bin überzeugt, daß auch der Komponist diese Fülle wohl
fühlte. Doch er stand ihr nicht mit gleichen Zauberkräften gegen-
über; trotz schöner Einzelzüge fehlte die Kongenialität im Ganzen.
Statt steigernd wirkte die Musik oft lähmend auf die Dichtung
ein und begleitete das göttliche Vergnügen der Handlung in
griesgrämiger Laune. Kurz und gut: Zilcher war kein Kreidolf.
Dem Musiker gluckte mit dem Textbuch nicht, was dem Maler
dazumal mit den Kinderrcimen gelungen war: der Dichtung
Lichter aufzusetzen und dort, wo die natürlichen Grenzen der
Dichtkunst aufhörcn, den Dichter glückspendend abzulosen.
Die Aufführung fand lebhaften Beifall, besonders bei den —
auf Dehmels Bitte — erschienenen Kindern. Doch die Kritik,
die hintennach das Messer wetzte, hat dem Stück in Mannheim
wenigstens den Lebensfaden leider abgeschnitten. Die Zahl der
Anfftihrungen ist trotz der Liebe, mit der sich alle, selbst die
winzigsten Statistenkinder, um das Gedeihen des Stücks bemüht
hatten, nur sehr klein geblieben. N. Frank.
ls Direktor der Düsseldorfer Akademie
ist Professor Fritz Noeber bestimmt in Aussicht genommen.
Da er nicht auch das Lehramt seines Vorgängers übernimmt,
soll hierfür Professor Bantzer aus Dresden berufen werden.
Aachener Münster,
das die Archäologen magisch zu reizen scheint, sind Forschungs-
grabungen im Oktogon und in den Umgängen beabsichtigt, die
dem naiven Gefühl ebensowenig eingehen wollen wie die Stoff-
mustersuche durch den kürzlich gestorbenen Direktor Lessing vom
Berliner Kunstgewerbe-Museum. Cs vermag die dadurch profi-
tierende Wissenschaft nicht recht von einer Neugierde zu trennen,
die ihm an solchen Orten nicht würdig scheint. S.
k^X aß oben auf der Loreley
ein neugebautes Haus steht,
scheint in der Zeit des Heimatschutzes ein Aprilscherz. Cs ist
aber da und ist dazu noch mit einer so zinshäusernen Silhouette
behaftet, daß man ruhig den eisenbahndurchlöcherten Fels nun
zu den erledigten Altertümern legen kann. Ich verstehe die
Möglichkeit nicht recht, daß es dahin kommen konnte. Als ich
mir weitab vom Rhein ein Haus baute im vergangenen Jahr,
hat mir die Regierung vorsorglich ein Türmchen auf meinen
Plan gezeichnet, das zwar nicht schön, auch falsch an der Stelle,
aber von guter Absicht war. Sollte die Behandlung an den
verschiedenen Regierungen wirklich so verschieden sein? Jedenfalls
würde ich eine rühmenswerte Aufgabe darin sehen, dieses Haus,
das wahrscheinlich doch eine Wirtschaft ist, zu beseitigen, oder an
eine versteckte Stelle zu schieben, falls da oben wirklich getrunken
werden muß. S. -



Herausgeber W. Schäfer, Verlag der Rheinlande G. m. b. H., Druck A. Bagel, Düsseldorf.
 
Annotationen