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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 17.1909

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Heft 5
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Flake, Otto: Straßburg
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https://doi.org/10.11588/diglit.26460#0177

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Straßburg: „Bei den gedeckten Brücken".

^traßburg.

wischen Münfter nnd Jll fteht das „Schloß".
Die Kardinäle Rohan, Blüte deö hochmütigcn,
aber so vornehmen Adelö deö achtzchntcit Jahr-
hunderts, bauten eö alö ihr Bischoföpalais. Die
bräutliche Marie Antoinctte schlies, als sic von Wien
nach Paris reiste, in ihm zum
erftenmal auf französischem
Boden. Die Demokraten
machten 1848 beinahe cine
Bierbraucrei daraus, dic Deut-
schen 1871 eine Universität —
heute ist eine Gemäldegalcric
darin, die übrigens sicb da-
durch auszeichnet, daß sie,
nachdem die alte bei der Be-
schießung untergegangen war,
mit Wilhelin Bodes Hilse von
Grund auf logisch und instruk-
tiv angelegt wurde.

Die Hauptfassade, die nach
dcm Wasser licgt, ift eineö
der ausgezeichnctsten Beispiele
echter Architektur der Rokoko-
zeit: sie cnthält nicht eine Spur
eines Schnörkcls, hat das De-
korationsprinzip deö Rokoko,
das innen cinst so große
Verwendung fand, in bcwun-
derungswürdigem Verständnis
nicht von Holz und Gips auf
den Stein übertragen: nur
eine feingliedrige Leichtigkeit
des Gesamteindruckö verrätun-
auffällig, daß hier die Würde
des Barockö durch eine neue,
eine ganz unbeschwerte Har-
monie abgelöst worden ist.

An eineni Sommermorgen
— denn diese lichtfreudige

Von Otto Flake.

Stadt cntfaltet dann ihren stärksten Reiz — bcsuchen
wir das Schloß und finden, wenn wir im ersten Stock
in der Gcmäldegalerie stehen, zwei Auöblicke, die un-
vergcßlich sind: vorn auf das Münster und hinten
auf die Ufer der Jll und dic Zeilcn der Häuser. Viel-
leicht hat eö über Nacht ge-
regnet und der Sandftcin des
Münsterö ist'noch feucht, wcnn
jetzt die Sonne die leuchtende
Wärme dcr verschieden schat-
ticrten Quader liebkoft. Der
Vogesensandstein hat dicse
leuchtende Wärmc: er verleiht
dem süßen, schlanken Bau erft
seinen Zauber. An so vielcn
Orten, wo man sonst roten
Sandftein sieht, in Frankfurt,
in Nürnberg vor allem hastet
ihm ctwaö Gewöhnliches und
Robustcs an: hier kost er dcn
fcinfühligsten Blick.

Seltsam und herrlich, diescr
rote Vogesensandstein: Er
leuchtet, siebenhundert Zahre
am Münftcr alt, ebenso frisch
wic der des achtzehnten und
neunzehnten Iahrhunderts an
den französischen „Hotcls",
öffentlichen Bautcn und Bür-
gerhäusern, so jung wie der
der neuen Zeit an den Festungs-
wällcn und Toren. Daher
kommt: Denkt man an Straß-
burg, so ift etwas Warmes,
ein weiches Rot vor dcn Augcn
und im Herzen. Und eine
Zärtlichkcit für dicse Stadt
schwillt an: man wird plötz-
lich reich an Erinnerungcn,


Skaßburg: Münstcr vom Hof des Nohanschen Schloffes aus.


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