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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 18.1909

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Heft 10
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Naumann, Friedrich: Der Nachwuchs
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Sternberg, Leo: Drei Gedichte
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https://doi.org/10.11588/diglit.26461#0159

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Drei Gedichtr von Leo Sternberg.

muß fabelhast begabt sein, wenn auö ihm etwas Rechtes
wcrden soll, denn mit dem Geld sehlt ihm die Möglich-
keit der Ausweitung seines eigenen Wesens. Er sieht
zu wenig, um die Wände seiner Phantasie zu füllen,
lernt zu wenig, um großer-Jdeen fähig zu sein, erlebt
zu wenig, um täglich über sich selbst herausgehoben zu
wcrden. Jhn trifft kein Vorwurs, wcnn er nichts andereS
malt als Alltagödinge, denn er kann nichts auS sich
hcrauSsctzcn, waö nicht vorher in ihm wachsen konnte.
Mit einer Romreise ist es nicht getan, mit Galerie-
studien auch nicht, es sehlt das Leben voll Jnhalt.
Die ganze Kunstgeschichte lehrt, daß der hohe Erfolg

in allen Künsten nur denen beschieden war, die eine
eigene neue Weltanschauung gewannen oder tiesbe-
wegendes Leid in ihrem Seelenleben durchmachten oder
durch schwere Konflikte siegreich hindurchgingen. Nur
eine große Person mit einem klar gewordenen Ich kann
über das Mittelmaß herausragen. Die Entstehung des
großen Jch ist aber in kleinen und gedrückten Ver-
hältnissen doppelt schwer. Was tut also ein Maler,

der sich nicht auSleben konnte? Er überlegt, womit

andere ihre Erfolge erzielt haben, und wird zum Nach-
ahmer. Er benutzt einen glücklichcn Griff, den man
einmal hatte, und wird zum Spezialiften. Da malt
der eine ewig Bauernmädchen, und der andere alte

Burgen und der dritte Strandbilder. Warum auch
nicht? Eö muß das alles geben! Aber freilich, solche
Menge guten Willens und anerkennenöwertcr Schulung
vcrsammclt zu sehen, wirkt doch wehmütig. Trifft man
ein solcheö Bild irgendwo im Zimmer, dann kann man
seine Freude an ihm haben, denn da wirkt eS wie ein
guter herzlich gemeinter Gruß vom Land, vom Gebirge,
von der See. Jm Zimmer vergleicht man nicht. Aber
hier, auf dem großen Bazar, werden alle relativcn
Einzelwerte durch die Maffe entwertet. Der Besucher
wciß schlicßlich nicht mehr, was er geschcn hat, und
behält nur den Eindruck, daß viel, massenhaft viel
produziert wird. Wer wird eS kaufen?

Friedrich Naumann.

rei Gedichte von Leo Sternberg

Daö Sterbezimmer.

*

Znö Stcrbczimmer cincö großen Bildncrö,
wo sich die unvollendeten Entwürse
des Meisterö finden, trat ich ehrsurchtövoll:
Jnmitten welker Lorbeerkränze hingen
auf Schieferplatten rasche Kreideskizzen
(der Umriß erster blasser Schöpferträume);
Modelle, die der Funke deS Genics
nicht mehr erwecken durfte auö dem Urschlas
der unbefrciten Form, umgaben mich;
und aus dcm Tischrondcll aus Ieichcnbogcn
noch sah ich die vom Tode abgebrochnen
zuletzt versuchten Wege deö Gedankens.. .

* Aus dcn „Ncucn Gedichten" (Cottasche Buchhandlung,
Stuttgart).

Und ich erblickte mich im Geiste selbst
am Arbcitstische stehn, so wie ich oft
daftand und niedersah auf eine Flut
von losen Blättern, halbbeschrieben, voll
Notizen, hingekritzelter
Gedankengänge vorbehaltnen SchaffenS,
sormloscn Stoffes, in der ersten Ordnung
siegenden LebenS, der Erweckung nah,

Runen und Siegel fernrer, tiefrer Schau —
die Seelen einer ganzen Welt von Werken!

Wir sterben alle so. Der Arbeit viel
ist für den Wachenden, scheint auch der Welt
Gehalt von den Iahrtausenden gesammelt
und der im Recht, der sagte, dagewesen
sei alles. Nichts ist dagewesen! Wieder
und wieder deckt der rote Feuerschein
des ersten SehenS aus gewohntem Dunkel
das Wunder einer neuen Tiese auf,
und eine andre wieder jedem Auge!

Getan ist abgetan; wie vieles kommt!

Wer kann den Reichtum eines Augenblickö

erobern? Wieviel läßt er aus! Wieviel

vom nächsten! Wenn er hier und da

nur ein Erleben aus dem Dunkel hält,

nur eine Fordrung meistert! Tausend Arme

und tausend Jahre Ieit und tausendmal

mehr Kraft — und dennoch müßten wir die Werkftatt

unausgeräumt, in unbewältigter

Aufgabensülle Wirrewarr verlassen,

den Kopf noch voll von allerjüngften Plänen,

die niemand ahnt.

Daö Unsichtbare.

Da war ein Strom, den wolltest du zeigen.

Aber Nebel bedeckte die Niederung.

Du standest am Fcnster und sankst in Schweigen:
Du sahst den Strom und seinen Schwung
und — mußtest schweigen.

Da war eine Seele, die wollte sich zeigen.

Aber cö hüllte sie Dämmerung.

Jch kam beredt und ging in Schweigen:

Jch sühlte die Seele und ihren Schwung
und — mußte schweigen.

Der Verliebte.

Jch geh mit der Sehnsucht schlasen;
ich steh mit der Sehnsucht auf.
Geflügelte Scharen schwebcn
mir nach und mir vorauf.

Jch gehe in einer Wolke
von Liebcsgöttern hin —
ich weiß nicht, ob ich ihr König
oder ihr Sklave bin.

Z5?
 
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