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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 24.1914

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Heft 5
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Röttger, Karl: Maria: ein Zyklus
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https://doi.org/10.11588/diglit.26492#0191

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aria.

Em Ayklus von Karl Röttger.

1.

We«n Maria aus der Türe tritt,

steht die Sonne überm blauen Wald . . .

Wenn Maria in den Garten geht,
geht ein Sinnen mit ihr mit,
leuchtet ihre selige Gestalt.

Wenn Maria an den Brunnen tritt,
um ihr Spiegelbild zu sehn,
geht ein Trauern mit ihr mit,
und am Rande bleibt sie stehn:

„Meine Wange und mein Haar rvird alt."

„Meine Haut welkt schon, mein Haar wird grau.
Warum steh ich noch im Glanze so —?

Und mein Bild im Brunnen nickt mir zu —
leucht ich wirklich noch wie Sonn im Tau?

Manchmal sitz ich in der Abendstunde,
wenn die Kinder noch am Aaune stehn,
manchmal weckt mich in der Morgenstunde
auf ein Bild, das ich im Traum gesehn.

Ach, wo sind sie hin aus jenen Jahren,
meine Wünsche, die so selig waren?

Geht das Leben um mich fried und mild,
meiner Kinder stilles Sein und Tun —
ich dazwischen wie ein fast gestorbnes Bild,
dem man nickt und still vorübergeht —
selten nur noch will mein Lächeln auf den Lippen

blühn. —

„Geht das Leben um mich mild und fried.

Aber Jesus ist nicht da. Der ging
übern Berg hinweg. Mein Auge sieht
wohl oft hoch und weit, die Wolke bringt
und der Lichtstrahl nicht mein Kind zurück.

Eine Mutter bin ich, der geschah ein Wort —
einmal — o wie keiner — ... Jsts nun dies:
Daß der Liebste mich verließ? —

Ubern Sonnenhügel ging er fort . . ."

2.

„Eine Mutter bin ich, der geschah ein Wort
o wie keiner, — einmal . . . . als das Wunder kam,
als ich aus den heilgen Händen nahm,
zitternd da das eine, da das Wort . . . .

Heute weiß ich: lang verdorrt
ist mir alles, das mir da,
einer Bebenden, geschah ....

Übern Sonnenhügel ging er fort.

Jch muß viel nun warten. Viel nun denken.

Dunkel fühlt ich alles mir geschehn,

was geschah .... Jch möcht es nun verstehn

wie ein Wort .... Jch will mich tief versenken . . . ."

3.

Wenn die Kinder noch am Iaune stehen,
reden sie von kleinen Dingen. Und Maria
hört mit halbem Ohr und hört vorbei. —

Alle Worte fühlt sie schon verwehen,

hört ins Dunkle, ob kein Ton da sei,

tiefher, fernher eines Kind- und Engelswort: „O Maria!"

4.

f„Nun willuch gehn." Ja, also ist es dein Wille?
„Mein Wille — ja und nicht mein Wille. Dean ich
muß ja."

Und kannst auch? — „Wie sollte man Gottes Willen
nicht können?"

Und daß es hart ist zu mir? — „Du bist meine Mutter,
wie sollte eine Mutter nicht ihr Glück finden, wenn ihr
Sohn

vor Sehnsucht brennt?" — Und wohin gehst du?

„Jn die Wüste!" — Jn die Wüste! — „Ja!" — Jn
der Wüste

leben viele und wissen es nicht. — „Jch muß ganz allein
sein —"

Du wirst es sein — „Daß ich finde das Wort." —
Welches Wort — ? Welches Wort? — einst geschah
mir ein Wort,

vom Glück, von der Seligkeit .... „Das ja will ich
finden."

Dann geh mein Sohn — und kommst du wieder?
„Wie sollte ich nicht — und wenn ich nicht käme —
eine Mutter weiß ihre Kinder immer zu finden . . . ."

„Leb wohl, Mutter. Du hast ein Leuchten auf dir
seit ich aufgewacht bin zum Sehen. Woher ist das?"
Es ist der Duft jenes Worts — „Das ich suche —
leb wohl, Mutter . . . ."sj

S o eingegraben in ihr jedes Wort
des Abschieds, jede Miene, jeder Blick,
und danach ging er übern Hügel fort
und sah nicht mehr zurück ....

5.

Maria singt:

„Ach wo sind sie hin aus jenen Jahren
meiner Sehnsucht — meine Blicke und mein Lächeln rein,
Schauer Glücks im Herzen und auf meinen Haaren
all die Lichter und der Sonnenschein ....

Ach wo sind sie hin aus jenen Jahren
meiner Sehnsucht: meine Heiligkeit,
meine Wünsche (die so selig waren)
und das Engelwort, das mich geweiht?"

6.

Wenn Maria in den Garten geht,
steht die Sonne überm blauen Wald,
selig geht ein Lächeln mit ihr mit
und ein Glanz auf ihrer Aartgestalt.

Wenn Maria an den Brunnen tritt,
nickt das Bild herauf ihr freundlich zu.

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