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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 26.1916

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Heft 7/8
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Pfleiderer, Wolfgang: Fritz Hafner
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https://doi.org/10.11588/diglit.26490#0235

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Fritz Hafner.

(^^^ritz Hafner, der Maler, bildet einen Parallelfall zu
August Halm, dem Musiker. Daß er auch Schwabe
ist, ist nebensächlich, wenn auch vielleicht kein Anfall.
Das Wesentliche aber, was Hafner mit Halm gemeinsam
hat, ist das starke, von einem neuen Kulturwillen getra-
gene pädagogische Interesse und, imInnersten damit
zusanmienhangcnd, die Tendenz, in der Kunst vorwärts
zu kommen durch eine Orientierung nach rückwärts.
Seine neuen pädagogischen Gedanken setzt Hafner in
seinem Aufsatz „Zeichenuntcrrichtslehre" selbst ausein-
ander; über seine Bilder, obwohl sie (auch in schwarzen
Abbildungen) für sich selbst sprechen, sei im folgenden
einiges Prinzipielle gesagt.
Daß Hafners Malerei sich nach rückwärts orientiert,
ist ohne weiteres klar. Er erinnert an Thoma, an Karl
Heider und dergleichen Leute durch das Kleinzügige,
durch die liebevolle Vertiefung
ins einzelne, das Zeichnerische,

barkeit man weit überschätzt hat, aus dem jedenfalls
nie ein neuer Stil geboren werden wird. Hafner
also hat ein anderes Prinzip. Seine Komposition ist
mehr ein mit bewußter Kunst geübtes Zusammenfassen
und Abwägen der Massen als ein Reduzieren auf
lineare Schemata. Und diese Kunst ruht auf einem neu-
erworbenen, eigentümlichen Verständnis für die innere
Logik der Natur, für den notwendigen organischen Zu-
sammenhang der Dinge in dieser Erscheinungswelt.
Das ist nun freilich in gewissem Sinne nichts Neues.
Diese Kunst haben unbewußt alle großen Landschafter
geübt. Aber sie ist neuerdings in Vergessenheit geraten,
ist unter der absoluten Herrschaft des malerischen Inter-
esses verkümmert. Der Naturalismus, sagt man, habe
die Bildform zerstört. Gewiß; aber das ist doch nur ein
Symptom. Er hat überhaupt die „Form" zerstört.
Er hat alle Erscheinung auf-
gelöst in sensuale Phänomene

jenes Etwas in der Gesamt-
haltung, das auf unsere ver-
wöhnten (oder verdorbenen)
Augen als altmodisch wirkt.
Nun kann man niemand ver-
wehren, in Thoma und Heider
bis auf weiteres bedeutsamere,
kunstgeschichtliche Erscheinun-
gen zu sehen als in Hafner.
Und doch wird es keinem, der
genauer hinsieht, entgehen,
daß in Hafner etwas Neues
steckt, was über Thoma und
Heider hinausgeht: man hat
so etwas schon gesehen, aber
man hat es nicht so gesehen;
es ist, als ob Hafner ein un-
mittelbareres, innigeres Ver-
hältnis zur Natur hätte als jene
beiden; er wirkt glaubwürdiger
im höheren Sinn.
Was isUs nun mit diesem
Neuen bei Hafner? Nun, es
ist etwas neues Altes. Es
ist eine Art, das Konstitutive
zu betonen, wie sie schon lange
nicht mehr da war, eine Art,
die weit entfernt ist vom Kom-
positionsschema unserer moder-
nen Schulen. Hafner ist nicht
beherrscht von der idealen For-
derung der Bildform, die das
Bild in einen abstrakten Form-
gedanken einspannt. Dasscheint
Verrat an unseren modernsten
Errungenschaften. Aber man
wird über kurz oder lang ein-
sehen, daß es sich hier um ein
technisches, kunstgewerbliches
Prinzip handelt, dessen Frucht-


Fritz Hafner. BlunienstiUeben.

und hat das eigentlich Kon-
stitutive, den Geist, daraus
vertrieben. Denn er glaubt
nicht mehr an den inneren Zu-
sammenhang der Dinge, er
glaubt nicht mehr, daß die Welt
sich selbst trägt, daß jedes Ein-
zelding eine Masche ist in einem
wundervollen Gewebe. Hier,
bei Hafner, ist ein neuer Glaube;
hier ist jener Platonismus, der
sich auch bei Halm und vielen
anderen ankündigt: der Glaube
an die innere, geistige Solidität
dieser Welt, der Glaube, daß
das Kunstwerk die ideale Ver-
wirklichung eines ewigen Natur-
gesetzes ist, das sich nicht im
Netze eines Kompositions-
schemas fangen läßt, sondern
erlebt wird vom Künstler, der
sich lauschend, still und beschei-
den der Natur hingibt und
unterordnet.
So finden wir bei Hafner
endlich wieder Landschaften,
die ganz undogmatisch kom-
poniert sind, in denen eine
selbstverständliche Klarheit und
Ordnung herrscht, in denen die
Dinge sich nicht stoßen und
reiben, sondern in einer selbst-
sicheren, man möchte sagen,
behaglichen Geräumigkeit ent-
wickeln. So finden wir endlich
wieder Landschaften, die auch
ohne Farbe wirken, die ohne jede
romantische, sentimentale Mo-
tivchenpocsie von der Natur
etwas erzählen. Es wird uns


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