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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 26.1916

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Nr. 12
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Hashagen, Justus: Die Gebrüder Boisserée
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Lübbecke, Friedrich: Johann Friedrich Städel
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https://doi.org/10.11588/diglit.26490#0417

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Die Brüder Boisserüe.

druck über das persön iche Verhältnis so zusammen-
fassen: „Durch ungezwungenes Entgegenkommen und
ebenso durch kluges Anpassen gehörte Sulpiz zum engsten
Kreis der Intimen." Der berückende Zauber des Goethi-
schen Genius, zumal wahrend der Suleika-Episode, hat
auch ihn umfangen.
Aber hat er nun den alten Heiden und Klassizisten
bekehrt; haben Köln und Rom über Weimar und die
Wartburg gesiegt? Goethe ist weit entgegengekommen.
Schon 1812 hatte er ohne den Eindruck der Brüder
Boisseree und ihres Werkes in Dichtung und Wahrheit
nicht so freundlich-milde über seine Jugendliebe, die alt-
deutsche Kunst, geurteilt. Nach zweimaliger eingehender
und tief verständnisvoller Besichtigung der Heidelberger-
Galerie im Herbst 1814 und im Herbst 1815 »vollen
manche ihn schon in das Gefolge der Heiligen Drei
Könige einreihen. Vom 8. Oktober 1814 ist ein Brief
erhalten, in dem sich Goethe bei Reinhard bedankt für
die Vermittlung der „Bekanntschaft und Freundschaft"
Sulpizens. Dies Wort „Freundschaft" aus Goethes
Munde wiegt schwer. Die seligen Stunden des Zu-
sammenseins im folgenden Jahre bestätigen es. Auch im
West-östlichen Diwan findet man die Spuren. Aus Sul-
pizens kunsthistorischen Materialien schöpft der immer
an der Arbeit bleibende Greis mit Vergnügen. Und
doch hat der Verfasser das Richtige getroffen, wenn er
einmal sagt: „Es war ein Tropfen fremden Blutes, den
die rheinischen Freunde dem Altmeister einzuimpfen
trachteten." Goethe bleibt auch unter den neuen Ein-
flüssen der alte. Zwischen ihm und der neuen Romantik,
besonders der Friedrich Schlegels, den Frieden zu ver-
mitteln, ist auch Sulpiz Boisseree nicht gelungen. Ja, über
diesen bedeutendsten Mentor seines Lebens muß Sulpiz
in der olympischen Umgebung schweigen, wenn er nicht
Donner und Blitz auf sich herabziehen will... „Goethes
Anerkennung war die Frucht eines Kompromisses, ein
Opfer der Freundschaft, und konnte daher niemals rein
und unumwunden wirken." So fehlt es je länger, je
weniger an Enttäuschungen. In einem geistvollen Briefe
vom 11. Mai 1811 hat der treue Bertram sie schon voraus-
gesehen.
Wenn auch das Verhältnis der Brüder Boisseree zu
Goethe im Mittelpunkte der ganzen Untersuchung steht,
so wird darüber doch das Sammlerwerk der Brüder selbst
nicht vernachlässigt. Provenienz, Schicksal, kunsthistorische
und künstlerische Bedeutung einzelner Stücke der Samm-
lung werden durch eine Fülle fleißig zusammengetragener
Notizen beleuchtet. Das Buch soll eben nicht nur einen
Beitrag zur Kunstgeschichte des neunzehnten Jahrhun-
derts, sondern auch zur Kunstgeschichte des Mittelalters
liefern. Obwohl nun der Verfasser die Bedeutung der
Boisseree-Galerie für die Entwicklung von Kunstanschau-
ung und Kunstwissenschaft, auch der bildenden Kunst
selbst, z. B. gegenüber der „Farbenscheu der Klassizisten"
mit warmen Worten hervorhebt, so ist er doch weit ent-
fernt davon, auf seine Helden eine einseitige Verteidi-
gungsrede zu halten oder ihre Irrtümer, besonders in der
Konstruktion des Verlaufes der nationalen Kunstge-
schichte, irgendwie zu verschleiern. Aber davon kann er-
sieh allerdings nicht überzeugen, daß sie ihr vielfach noch
ganzjungfräulichesBildermaterial„gefälscht" haben sollten.

Auch weiß er, daß ihre Irrtümer nur Irrtümer des
künstlerisch-religiösen Enthusiasmus und des allzu rasch
zufahrenden Dilettantismus sind, aber nicht Irrtümer
des bösen Willens und des Erwerbssinnes. Gleichwohl
wird die Sammeltätigkeit auch als „Beruf und Geschäft"
eingehend gewürdigt. Die Verhandlungen über den
Ankauf der Galerie durch König Ludwig I. von Bayern
1827 werden nach neuen Akten genau dargestellt, nicht
minder die Versuche anderer Staaten, wie Preußens,
Österreichs und Württembergs, sich in den Besitz der kost-
baren Schätze zu setzen. Der Einfluß des Kunsthandels
auch auf die Erweiterung der Sammlung erscheint dabei
vielfach in ganz neuem Lichte.
Firmenich-Richartz hat überhaupt so viel Neues mit-
zuteilen, daß er mit der Aufnahme langer wörtlicher Aus-
züge nicht sparsam sein konnte. Der Genuß der Lektüre
wird dadurch vielleicht manchmal beeinträchtigt. Aber
der Leser wird sich trotzdem gerne der Hand dieses kun-
digen Führers anvertrauen. Erst durch diese ruhige und
verständnisvolle Führung wird das wertvolle neue
Material auch einem weiteren Kreise verständlich. Was
Goethe gesagt haben soll, als er zum ersten Male die
Heidelberger Schatzkammer betrat: ,,Introite, nam et
Ueic vii sunt ', darf sich auch der Leser vor Augen halten,
wenn er sich die Zeit nimmt, in den» groß angelegten
Werke heimisch zu werden. Es sind urdeutsche Quellen,
die hier fließen. Ein Trunk aus ihnen dient heute be-
sonders zur Labung. Nur gegen eine Welt von Feinden
hat sich das Deutschtum der Brüder Boisseree durchsetzen
können. f680^ Justus Has Hagen.
Johann Friedrich Stadel.
Die Stätte, wo man in den ersten Tagen des
Dezember 1816 auf dem nunmehr aufgelassenen
Petersfriedhofe der Stadt Frankfurt den sterblichen Teil
Johann Friedrich Städels, des am 2. Dezember still
verstorbenen 88jährigen Greises, bettete, ist vergessen,
verschollen. Städel hielt nicht viel vom Religuienkult,
war zu sehr ein echter Sohn der Aufklärungszeit,
als daß etwa sein Geist darüber zürnte, daß heute die
elektrische Bahn über sein letztes Lager fährt und kein
Kranz dieses Flecklein der allmütterlichen Erde an seinem
100. Todestage „schmückte". Liest man seinen Stiftungs-
brief, in den» er ein Jahr vor seinem Tode „-bey, Gott
sey Dank! noch genießenden vollen Seelenkraften"
seinen langjährigen Entschluß, die Gründung des seinen
Namen tragenden Kunstinstituts, als „seinen reiflich
überlegten liebsten Willen" erklärt und seiner Gründung
seine große Kunstsammlung nebst seinem ganzen Ver-
mögen übergibt, so ist es einem, als klängen in dieser
klargegliei>erten Prosa Rhythmen, wie sie ähnlich sich
nicht weit vom Hause des Stifters am Roßmarkt am
großen Hirschgraben gestalteten:
So schaff ich am sausenden Webstuhl der Zeit
Und wirke der Gottheit lebendiges Kleid.
Das erhabene Schauspiel genialen unzeitlichcn Ge-
staltens, das für das kommende Jahrhundert epochale
Bedeutung gewinnt: Nicht ein Fürst, nicht die Kirche,
nicht eine Gemeinde — ein einfacher Bürger, ein

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