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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 27.1917

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Heft 6
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Haeuselmann, Johann Friedrich: Kunstwissenschaftliche Betrachtungen über städtische Bauformen
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https://doi.org/10.11588/diglit.26489#0143

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Der Dom in Speyer. (11. Jahrh.)

er Krieg hat in dem rasenden Wachsen unscrer
Städte eine Pause cintreten lasscn, die vielleicht
auch dazu cingetreten sein könntc, daß wir uns
über das künftige Bauen zuerst wieder besinnen. So ist
die gegenwartige Ieit wohl nicht ungeeignet, einige
kunstwissenschaftliche Betrachtungen über stadtische Bau-
formen anzuschließen.

Das deutsche Stadtwerden ist sehr verschiedener,
meist aber sehr unselbstandiger Art. Vielfach erklärt es
sich aus dem Dorfwerden heraus; die Stadtmerkmale
sind dann mehr politische, kaufmännische, handwerkliche.
Ein zielbewußtes, architektonisches Wachsen der Bau-
formen ist in diesen Fällen natürlich nur unklar zu ver-
folgen, tritt es aber mitunter klarer zutage, so erkennen
wir irgendeinen ordnenden Eingeist über dem Fonuen-
werden, der aber zum Teil sehr bewußt mit allerlei ver-
pflanzten Fremdformen schaltete. Auf diese Weise ist der
erste deutsche Baustil, der romanische, entstanden, der
uns heute noch als das Kristall fast ungewöhnlicher künst-
lerischer Strömungen gilt und heute noch von einer
starken Spannkraft bewußter und unbcwußter schöpfe-
rischer Fähigkciten der Baumcister jener Ieiten zeugt.
Alle sogenannten deutschen Baustile sind fortab so ge-
worden, daß aus übernommcnen Merkmalen heraus
das Neue, zum nnndestcn Neuartigc, Dcutschartige ge-
schaffen wurde. Diese Stilreihe ist geschichtlich mit dem
Biedermeicr nach 1800 bekanntlich abgeschlossen, was
nachher kam, war Wiederholen, Abwechseln, zum Teil sehr
nach der Laune der Aeit. Aber nicht nur an sich sind die
^Ltile wiederholt worden, sondern es lassen sich heute

schon verschiedene Aeitalter der Art verfolgen, wie sie
wiederholt wurdcn. Das erste war erfüllt von einem
mehr zeichnerischen Nachschöpfen von mitunter sehr be-
gabten Männern, das zweite, jetzige, nach einer Einlage
rein eigenschöpferischer Versuchsart, ist, von dieser nicht
geglückten Einlagezeit stark beeinflußt, entschieden eigen-
schöpferischer in der Art, daß versucht ivird, durch den
geschichtlichen Stilgehalt hindurch die Bauaufgaben zu-
nächst sachlich, förmlich zu lösen und einen Stilgehalt
gewissermaßen nur anzudeuten.

So haben wir gelernt, unsere heutigen Baumeister
als Techniker und Künstler ihrer Aufgaben zugleich zu
betrachten; es tritt zum Nurkünstlerischen ein Wissent-
liches der Bauzwecke, das wir im ersten Aeitalter des Nur-
hisiorizisierens, also etwa im letzten Aweidrittel des
19. Jahrhunderts, fast gänzlich vermissen. Es ist zweifellos
heute ein schöner Stand architektonischen Schaffens er-
reicht worden, dessen Wesen und Trachten wir in weitem
Maße beizustimmen gelernt haben, so daß sich'auch diese
Betrachtungen nicht vom Boden ihres Seins zu ent-
fernen brauchen. Nur wie wir immer selbstkrjtischer auf
diesem Wege weiterschakfen, wie wir neu aufnehmen,
neu schaffen, dieses sollte uns immer ein Gegenstand
kritischer Betrachtung bleiben, sollen wir nicht in einen
Austand des Starren verfallen. Iwar kommt den Bau-
schöpferischen von heute die allgemeine Ieitentwicklung
mit ihrer Fülle neuer Aufgaben, Anregungen, Erfin-
dungen, sehr entgegen, so daß sie schon dadurch vor dem
Erstarren bewahrt werdcn. Es vollzieht sich hier im
großen Rahmen der Entwicklung eben nur dasselbe wie

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