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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 28.1918

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Heft 7/8
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Oswald, Josef: Wilhelm von Humboldt
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Widmer, Karl: Johann Peter Hebel und Karlsruhe
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https://doi.org/10.11588/diglit.26488#0162

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Wilhelm von Humboldt.

lich so wcnig als populär. Wie hätte er es sein können
bei seinem Verstand und Sarkasmus? Eine Scheide-
wand richtete sich auf zwischen dem, was er positiv besaß,
und dem, was er negativ, namentlich in dem Pandä-
monium der Wiener Kongreßdiplomatie vor Augen
hatte. Doch auch die Besten mochten etwas Fremdes
an ihm wahrnehmen, jene Geteiltheit seines Wesens,
das bei aller Hingabe an die Politik in seinem Kern den
Jdeen, dem Altertum, seiner ästhetischen Richtung
gehörte. „Ein guter Vers lebt ewig, wenn Kriege und
Friedensschlüsse vergehen," schrieb er 1813. Wie er die
reichlichere Muße in Wien zu seinen Sprachstudien be-
nutzt hatte, widmete er jeden freien Augenblick während
des Feldzuges der Lektüre des Homer, Plutarch, seiner
Agamemnon-Ubersetzung. Noch eins. So sehr ihm der
Dienst obenan stand, hatte er ihn doch jederzeit leichten
Herzens aufgeben können und wäre „nicht einmal die
Aeitungen zu lesen neugierig" gewesen. Er vermochte
sogar, Entwicklungen, woran er ernsthaft mitzuhandeln
hatte, wie ein Schauspiel zu verfolgen. Gewiß eine ge-
fahrliche Gabe. Aber auch in dieser Beziehung war ihm
Frivolität fern, ebenso wie er deren in seinem Privat-
leben zu Unrecht beschuldigt worden ist, z. B. von Gustav
Freytag. Jn Wahrheit sah er hoch und frei in die Welt,
sah er nur zwei wohltätige Potenzen darin: Gott und
daö Volk. Wie hätte er nicht, als das Staatsregiment
sich wieder als Gott und das Volk als ein Nichts betrach-
tete, mit einem Gefühl der Erleichterung die Bühne
verlassen sollen!

Erstaunlich wie die mittlere ist die letzte Epoche.
Ein gedrangter Reigen gelehrter Untersuchungen, an-
hebend mit der Erforschung der Urbewohner Spaniens
vermittelst der baskischen Sprache, durchschlingt sie,
aber sie ist voll verschiedenartiger Tätigkeit. Nach allen
Seiten klingen Abschiedsgrüße. Der Staatsmann weist
die Geschichtschreibung auf die den Begebenheiten inne-
wohnenden Jdeen hin, die nur höchste Treue im Tat-
sächlichen divinatorisch zu erkennen vermag. Jn er-
greifenden Akkorden bringt der Nsthetiker den Gewinn
aus seiner Freundschaft mit Schiller und Goethe zum
Abschluß. Fortschreitend wird von den entlegensten
Sprachgebieten Besitz ergriffen. Das Studium des
Sanskrit sührt ihn in die Iella seiner Seele. Nicht nur
künstlerisch sah er in den Griechcn das ideale Volk. Wie
die Nemesis seine größte Göttin blieb, nannte er sich seiner
innersten Natur nach heidnisch. Doch das Antike schloß
nicht das Moderne aus, die Beschäftigung damit dünkte
ihn sogar dankbarer und anziehender. Ebenso hatte er
volles Verständnis für die „furchtbar und wehmütig
erhabenen Bildungen des Christentums". Dagegen trat
ihm seine eigensie Lebensphilosophie in der Krischnas-
Lehre entgegen, wie sie 'in der Dichtung Mahabharata
in Sprüchen wie diesem dargelegt wird:

Vertieften Geists, von Sehnsucht frei, so handle, Gold-

verschmähender, du,

ob erfolgreich, crfolglos, gleich; Gleichmut Ver-

tiesung wird genannt.

War das nicht die Marime des Diplomaten und
Ministers gewesen? Übrigens hatte er schon mit vier-
undzwanzig Jahren erklärt, daß die Resultate an sich
nichts seien. Weil ihm überall die Jdeen als das Höchste

galten, weil er stets so viel innere Muße hatte, daß sie
der tiefe und klare Grund war, „über dem hin der ganze
Ballast des Lebens, Geschafte, Awecke, Verhältnisse,
schwimmt", handelte auch er mitten im Handeln eigent-
lich nicht, war auch er gleich den indischen Weisen ein
Vertiefter. Was verstand er unter Jdeen? „Alle großen
und wesentlichen Wahrheiten"; alles, womit Poesie
und Kunst „wie etwas Unendliches" berühren; jencn von
„aller Erdenbeziehung" unabhängigen Seelenbesitz, un-
verlierbar, wenn jegliches schwindet. Einst hatte er ein
Werk zu schreiben gewünscht, worin er sich selbst achten
könne. Jn einer andern Briefstelle heißt es: Er müßte
sein Objekt zugleich mit seinem Subjekt darstellen.
Soweit es sich um eine wisscnschaftliche Aufgabe handelte,
löste er sie in der Einleitung in die Kawisprache. Doch
mochte ihm vielleicht auch etwas im Sinne liegen, was
über die Wissenschaft hinausging, was ideell seine ganze
Eristenz und Persönlichkeit umfaßte, etwas, wie es
Dichtern in ihren besten Würfen gelingt. Waren doch
die Sonette die letzte Auskunft, nachdem er wiederholt
die Feder zu einer Autobiographie angesetzt hatte.
Jmmer war die Form die Klippe. Sie, die den Kon-
takt zwischen Verfasser und Publikum herstellt, versagte
notwendigerweise bei einem Schriftsteller, der von
Natur weniger auf eine große Wirkung in der Öffent-
lichkeit als auf den fcineren Eindruck bei befreundeten
Jndividuen angelegt war. Wo er Arbeiten, die über
die engen Grenzen eines Vortrages oder Aufsatzes hinaus-
gingen, zu Ende führte, schwebten ihm bestimmte Per-
sonen als Adressaten vor, so bei dem Versuch über die
Staatswirksamkeit der Statthalter von Erfurt, bei dem
Versuch über Hermann und Dorothea die beiden Freunde
in Jena und Weimar. Ähnlich verhielt es sich mit seinen
sprachwissenschaftlichen Forschungen, die sich an den
kleinen Kreis der Fachgenossen wandten. Er war daher
der geborene und begnadete Briefschreiber, dessen Briefe
gleich verstreuten Mosaikstücken das vollständige Material
zu seinem Spiegelbilde enthalten, anderseits den sach-
lichen Jnhalt seiner Werke wesentlich ergänzen. „Un-
endlich mehr wirkte er durch das, was er war, als durch
das, was er schuf und handelte", sagt Rudolf Haym,
sein ausgezeichnetster Charakteristiker. Kann Schrift-
liches überhaupt dies unmittelbare Wesen vermitteln,
so geschieht es durch scine Bricfe, die mit seinen Werken
ein höchst eigenartiges Denkmal bilden. Diese sind die
Jnschriften, die an Freunde und Freundin gerichtete
Schreiben die umrahmenden Reliefszenen, während der
Briefwechsel mit seiner Frau die krönende Doppel-
gestalt in Lebensgröße zeigt, den schönen Einklang dieser
großen, freicn, wahrhaft menschlichen Naturen versinn-
bildend. Josef Oswald.

(^ohann Peter Hebel nnd Karlsruhe.

— ^ H Hebel stand in seinem 32. Lebensjahr, als er im
1792 nach Karlsruhe kam. Er war von
Lörrach als Lehrer an das O^mmasium illustre der
Residenz berufen worden, das er schon als Lateinschüler
besucht hatte. Hebel dachte damals nicht daran, daß es
ein Aufenthalt fürs Leben werden solle. Als echter
Alemanne hing er mit Leib und Seele an seiner Ober-
 
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