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Probst, Rudolf; Emil Richter (Firma : Dresden) [Contr.]
Dresdner Sezession Gruppe 1919: mit auswärtigen Gästen : 2. Sonder-Ausstellung — Dresden: Emil Richter, 1919

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https://doi.org/10.11588/diglit.63644#0006
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wieder an das Unerhörte zu glauben! Die Natur möchte sich wieder
in euch genießen, in eurem spezifischen Daseinsbewußtsein, im schöpfe-
rischen Lebensstih des Menschen, der Kunst. Nicht auf Bihdermaherei
kommt es an — Cwievieh übliche Kunst ist nur Notventil} — sondern
auf die einzigartige, produktive Beziehung zur Weht, auf das Manifest
des Menschen.
Endlich beginnt er wieder zu begreifen, daß ahhe Aussage über die
Natur und ihre Gesetze Stückwerk bleibt — ohne Einfluß auf den
•Gang der ewigen Geschicke — daß eben hinter ahher Definition und re-
lativierenden Systematik der Berufskunst wie der Wissenschaft insge-
heim der absolute Naturgeist selbst spukt.
Und nun möchte er diese unvermeidliche, die eingeborene Natur wieder
direkt zum Wort bringen — und in seiner Entwohntheit weiß er es
garnicbt, wie anfangen, auf daß die rettende Stimme ertönt. Hört ihr
nicht, wie sie durch das krampfhafte Stammeln elementar hervorbrecben
möchte! O, überall liegen die Wehen des neuen Menschtums zu Tage !
Mannigfaltig ist die Auswirkung — groß die Kraft der radikalen Vor-
stöße und weitgespannt der Abstand der Extreme.
Und die einen haben in der grauenhaften Angst und im grenzenlosen
Schmerz ihr geheimstes, leisestes Ich wieder entdeckt und nun widerhadt
es von dem großen Nervenzittern, das durch die ganze Welt geht, auch
durch die scheinbar tote Materie, und ihre wachen Sinne wittern die
innersten Vorgänge, die blitzenden Lebensströme hinter der Larve des
äußeren Daseins. Überall herrscht ihnen dies unheimliche Du, in das
sie mit Wollust versinken.
Und dort erwacht das gleiche Ich in Aktivität zu leidenschaftlicher Selbst*
bejahung. Die unerschöpfliche Vitalität mödite ihre Überfülle verschleudern
und stürmt durch ade Sphären seeltsdter Emotion, fedes Du, alles Andere
in ihren Höhenflug mitreißend. Was Wunder, daß sie es auch tod
treibt und sich in Mystifikationen des kunstlosen Publikums ergötzt.
Den ganzen Kosmos möchte sie gerne verzaubern.
Selhstübersdcwang — und Selbstvernid/tung — in beiden Prozessen
genießt sich die Natur, zumeist die Menschnatur.
 
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