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Riegl, Alois
Stilfragen: Grundlegungen zu einer Geschichte der Ornamentik — Berlin, 1893

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https://doi.org/10.11588/diglit.8075#0253
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9. Das Aufkommen des Akanthus-Ornaments.

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scheinen lassen. Dann erklärt sich aber auch die Vermehrung und an-
scheinend unorganische Nebeneinandersetzung der Akanthusblätter. Diese
Grabstelenkapitäle mit Akanthus auf den attischen Lekythen würden da-
durch zunächst herangerückt an das Kapital von Phigalia, und wären als
unerlässliche Hilfsglieder zur Feststellung der Anfänge des korinthischen
Kapitals überhaupt zu betrachten.

Wie so manches Andere aus dem Darstellungsinhalte der Lekythos-
Malereien wird auch dieser Punkt von Seite der Specialforschung erst
noch seine vollständige Aufklärung finden müssen. Uns handelt es sich
aber im vorliegenden Falle bloss um die Klarstellung des Verhältnisses
zwischen Palmette und Akanthus. In Fig. 114 haben wir nur Akanthus-
blätter von der Seite gesehen (also Akanthushalbblätter) und in der

Mitte eins in der Vorderansicht (Akanthusvollblatt). Fig. 119 (Benndorf
a. a. 0. XXII. 2) zeigt dagegen zwischen zwei Akanthushalbblättern
in der Mitte eine Palmette in der traditionellen Flachstilisirung. Aber
auch die seitlichen Halbblätter finden sich gelegentlich durch aus-
gesprochene flache Halbpalmetten ausgedrückt: vgl. Fig. 120, nach
Stackelberg, Gräber der Hellenen, XL1V. I42). Der Schluss hieraus
kann nicht anders lauten, als dass flache und Akanthus-Palmetten
als gleichwertig gebraucht erscheinen, dass dieselben somit ur-
sprünglich gleichbedeutend und identisch gewesen sein müssen.
Schliesslich verweise ich noch einmal auf Fig. 118: in der Mitte eine
volle flache Palmette in der Vorderansicht, ihr zu Seiten zwei gleich-
falls flache Palmetten, aber perspektivisch gedacht, daher nicht mehr
in der vollen Vorder-, aber auch noch nicht in der ausgesprochenen

4-'j No. 2 auf derselben Tafel zeigt eine flache Palmette in einem drei-
blättrigen, unbehilflich perspektivisch gezeichneten Akanthuskelche steckend.

Fig. 119.

Von einem Gemälde auf einer attischen LekythoK
 
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