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Stellung der ausgedehnten Fläche mit ihren zwei Dimensionen der Höhe und Breite. Diese Vor-
stellung ist also nicht mehr durch eine unmittelbare Wahrnehmung des Tastsinns, sondern durch
eine Combination mehrerer solcher Wahrnehmungen gewonnen, die nothwendigermaßen die
Dazwischenkunft des subjectiven Denkprocesses voraussetzt. Es ergibt sich hieraus, dass schon
die Überzeugung von der tastbaren Undurchdringlichkeit als wesentlichste Voraussetzung der
stofflichen Individualität nicht mehr allein auf Grund sinnlicher Wahrnehmung, sondern unter
ergänzender Zuhilfenahme des Denkprocesses zustande kommt. Im antiken Kunstschaffen muss
daher seit seinen elementaren Anfängen ein innerer Gegensatz latent gewesen sein, indem trotz
der grundsätzlich gewollten objectiven Auffassung der Dinge eine subjective Beimischung von
Anbeginn nicht zu vermeiden war. Und in diesem latenten Gegensätze lag zugleich der Keim
aller späteren Entwicklung.
Damit war aber das unumgänglichste Maß subjectiver Trübung der objectiven Individualität
der stofflichen Außendinge für das älteste antike Kunstschaffen noch nicht erschöpft. Der Tast-
sinn ist wohl unentbehrlich, um uns von der Undurchdringlichkeit der Außendinge zu vergewissern,
aber keineswegs um uns auch von deren Ausdehnung zu unterrichten. In letzterer Hinsicht wird
er vielmehr vom Gesichtssinn weitaus an Leistungsfähigkeit übertroffen. Das Auge vermittelt
zwar nur Farbenreize, die nicht minder wie die Reize der Undurchdringlichkeit sich bloß auf ein-
zelnen Punkten mittheilen; und die Vorstellung von Farbenflächen als vervielfältigten Punkten
gewinnen wir genau auf dem gleichen Wege des Denkprocesses wie diejenige von den tastbaren
Oberflächen. Aber das Auge vollzieht die Operation der Vervielfältigung der Einzelwahr-
nehmungen weit rascher als der Tastsinn, und daher ist es auch das Auge, dem wir unsere Vor-
stellung von Höhe und Breite der Dinge hauptsächlich verdanken. Es kommt infolgedessen zu
einer neuerlichen Combination von Wahrnehmungen im Bewusstsein des denkenden Beschauers:
wo das Auge eine zusammenhängende Farbenfläche von einheitlichem Reiz wahrnimmt, dort
taucht auf Grund der Erfahrung auch die Vorstellung von der tastbar undurchdringlichen Ober-
fläche einer abgeschlossenen stofflichen Individualität auf. Auf solchem Wege konnte es frühzeitig
geschehen, dass die optische Wahrnehmung allein für genügend befunden wurde, um von der
stofflichen Einheit eines Außendings Gewissheit zu schaffen, ohne dass hiebei der Tastsinn zur
unmittelbaren Zeugenschaft herangezogen werden musste. Aber die wesentlichste Vorbedingung
hiebei blieb zunächst immer, dass die absolute Ebene eingehalten, die Ausdehnung auf die Dimen-
sionen der Höhe und Breite beschränkt blieb.
Dagegen muss die antike Kunst die Existenz der dritten Dimension — der Tiefe — die wir
für die Raumdimension im engeren Sinne anzusehen pflegen, von Anbeginn grundsätzlich ver-
leugnet haben. Die Tiefe ist nicht allein mit keinem Sinne wahrnehmbar — das Gleiche haben wir
auch von den beiden Flächendimensionen geltend befunden — sondern auch erst auf einem weit
verwickelteren Wege des Denkprocesses zu begreifen als die Flächendimensionen. Das Auge
verräth uns nur Ebenen; wir wissen zwar freilich aus verkürzten Umrisslinien und aus Schatten aut
Veränderungen in der Tiefe zu schließen, aber nur an bekannten Objecten, bei deren Wahrnehmung
uns die Erfahrung zur Seite steht, während beim Anblicke unbekannter Objecte wir zunächst im
Unklaren bleiben, ob die wahrnehmbaren krummen Umrisse und dunklen Farbflecken nicht in
einer Ebene liegen. Wiederum ist es der Tastsinn, der uns vom Vorhandensein von Tiefen-
veränderungen die erste sichere Kunde gibt, weil seine vielverzweigten Organe das Einsetzen der
Prüfung auf verschiedenen Punkten zu gleicher Zeit ermöglichen; aber schon die Erkenntnis von
Stellung der ausgedehnten Fläche mit ihren zwei Dimensionen der Höhe und Breite. Diese Vor-
stellung ist also nicht mehr durch eine unmittelbare Wahrnehmung des Tastsinns, sondern durch
eine Combination mehrerer solcher Wahrnehmungen gewonnen, die nothwendigermaßen die
Dazwischenkunft des subjectiven Denkprocesses voraussetzt. Es ergibt sich hieraus, dass schon
die Überzeugung von der tastbaren Undurchdringlichkeit als wesentlichste Voraussetzung der
stofflichen Individualität nicht mehr allein auf Grund sinnlicher Wahrnehmung, sondern unter
ergänzender Zuhilfenahme des Denkprocesses zustande kommt. Im antiken Kunstschaffen muss
daher seit seinen elementaren Anfängen ein innerer Gegensatz latent gewesen sein, indem trotz
der grundsätzlich gewollten objectiven Auffassung der Dinge eine subjective Beimischung von
Anbeginn nicht zu vermeiden war. Und in diesem latenten Gegensätze lag zugleich der Keim
aller späteren Entwicklung.
Damit war aber das unumgänglichste Maß subjectiver Trübung der objectiven Individualität
der stofflichen Außendinge für das älteste antike Kunstschaffen noch nicht erschöpft. Der Tast-
sinn ist wohl unentbehrlich, um uns von der Undurchdringlichkeit der Außendinge zu vergewissern,
aber keineswegs um uns auch von deren Ausdehnung zu unterrichten. In letzterer Hinsicht wird
er vielmehr vom Gesichtssinn weitaus an Leistungsfähigkeit übertroffen. Das Auge vermittelt
zwar nur Farbenreize, die nicht minder wie die Reize der Undurchdringlichkeit sich bloß auf ein-
zelnen Punkten mittheilen; und die Vorstellung von Farbenflächen als vervielfältigten Punkten
gewinnen wir genau auf dem gleichen Wege des Denkprocesses wie diejenige von den tastbaren
Oberflächen. Aber das Auge vollzieht die Operation der Vervielfältigung der Einzelwahr-
nehmungen weit rascher als der Tastsinn, und daher ist es auch das Auge, dem wir unsere Vor-
stellung von Höhe und Breite der Dinge hauptsächlich verdanken. Es kommt infolgedessen zu
einer neuerlichen Combination von Wahrnehmungen im Bewusstsein des denkenden Beschauers:
wo das Auge eine zusammenhängende Farbenfläche von einheitlichem Reiz wahrnimmt, dort
taucht auf Grund der Erfahrung auch die Vorstellung von der tastbar undurchdringlichen Ober-
fläche einer abgeschlossenen stofflichen Individualität auf. Auf solchem Wege konnte es frühzeitig
geschehen, dass die optische Wahrnehmung allein für genügend befunden wurde, um von der
stofflichen Einheit eines Außendings Gewissheit zu schaffen, ohne dass hiebei der Tastsinn zur
unmittelbaren Zeugenschaft herangezogen werden musste. Aber die wesentlichste Vorbedingung
hiebei blieb zunächst immer, dass die absolute Ebene eingehalten, die Ausdehnung auf die Dimen-
sionen der Höhe und Breite beschränkt blieb.
Dagegen muss die antike Kunst die Existenz der dritten Dimension — der Tiefe — die wir
für die Raumdimension im engeren Sinne anzusehen pflegen, von Anbeginn grundsätzlich ver-
leugnet haben. Die Tiefe ist nicht allein mit keinem Sinne wahrnehmbar — das Gleiche haben wir
auch von den beiden Flächendimensionen geltend befunden — sondern auch erst auf einem weit
verwickelteren Wege des Denkprocesses zu begreifen als die Flächendimensionen. Das Auge
verräth uns nur Ebenen; wir wissen zwar freilich aus verkürzten Umrisslinien und aus Schatten aut
Veränderungen in der Tiefe zu schließen, aber nur an bekannten Objecten, bei deren Wahrnehmung
uns die Erfahrung zur Seite steht, während beim Anblicke unbekannter Objecte wir zunächst im
Unklaren bleiben, ob die wahrnehmbaren krummen Umrisse und dunklen Farbflecken nicht in
einer Ebene liegen. Wiederum ist es der Tastsinn, der uns vom Vorhandensein von Tiefen-
veränderungen die erste sichere Kunde gibt, weil seine vielverzweigten Organe das Einsetzen der
Prüfung auf verschiedenen Punkten zu gleicher Zeit ermöglichen; aber schon die Erkenntnis von