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Riegl, Alois
Die spätrömische Kunst-Industrie nach den Funden in Österreich-Ungarn (1): Die spätrömische Kunst-Industrie nach den Funden in Österreich-Ungarn — Wien: Österreich. Staatsdruckerei, 1901

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https://doi.org/10.11588/diglit.75259#0108
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gg SCULPTUR.
aber scheint uns der Inhalt über die Form in der Kunst wie der Geist über das Fleisch in der
Philosophie und Religion zu behaupten.
Nach alledem muss es in hohem Grade unwahrscheinlich bezeichnet werden, dass irgend
einer der stadtrömischen Sarkophage, welcher noch den constantinischen Reliefstil befolgt (das
sind so ziemlich alle mit Ausnahme des Sarkophags der Constantina) aus dem fünften Jahrhundert
stammte. Die einzigen mit leidlicher Bestimmtheit datierbaren Sarkophage des fünften Jahr-
hunderts — diejenigen aus dem Mausoleum der Galla Placidia zu Ravenna, sämmtlich (drei an-
der Zahl) aus der ersten Hälfte des genannten Jahrhunderts — enthalten in ihren Wandreliefs
nur mehr ornamentale und symbolische Motive, aber keine erzählend figuralen Darstellungen
mehr. Ich nehme an, dass auch in Rom die Figuralsculptur in Stein, soweit religiöser Inhalt
dabei in Frage kam, von Honorius ab so gut wie aufgehört hat; dem Bedürfnisse nach geistiger
Lehre und innerer Auferbauung, das an Stelle des früheren künstlerischen Sinnes für die monu-
mentale stoffliche Erscheinung getreten war, entsprachen besser die kleinen Elfenbeintafeln (wie
in der Malerei die Miniaturbilder in den Handschriften) mit ihren reichhaltigen Cyklen der auf die
Erlösung bezüglichen biblischen Ereignisse.
Diese „rohesten" Sarkophage gleich Fig. 24 bezeichnen aber zugleich auch für die antike
Sculptur die letzten Ausläufer derjenigen Kunstweise, die man den antiken Impressionismus
genannt hat. Weiter hat sich die rein optische Aufnahme nicht mehr steigern lassen, sofern man
nicht den antiken Grundsatz, in der Kunst von der Einzelform auszugehen, preisgeben wollte.
Diesen letzteren Schritt hat zwar auch die spätrömische Kunst noch nicht zurückgelegt, und
ebensowenig die byzantinische nach dem Bildersturme; aber die spätrömische Kunst hat die
verbindenden Ebenrelationen zwischen den Dingen (und ihren Theilen), soweit es irgend noch
angieng, vollständig aufgehoben und damit die Bahn freigemacht, um die Raumrelationen zum
Ausgangspunkte und Einheitsziele aller künstlerischen Composition zu erheben.


Fig. 25. Marmor-Sarkophag. Lateranisches Museum.

Von stadtrömischen Sarkophagen christlichen Inhalts sei noch der lateranische, Fig. 25 (aus
St. Peter, Ficker Nr. 174), vorgeführt. Die Ebencomposition zeigt Säulentheilung, wobei das
mittlere Intervall größer genommen ist als die übrigen; dem darin ausgesprochenen centra-
listischen Gedanken folgen auch die Figuren, indem sie sich Christo in der Mitte zuwenden
 
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