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17S

Anregungen empfing. Das offenbar bewusste Streben nach Originalität führt Grien sogar
zuweilen zu bizarren und barocken Ideen, das markant Persönliche verleiht aber auch
seiner oft herben mitunter grotesken Kunst ihren eigensten Reiz, es begründet auch den
grossen Eindruck, den seine Werke zumal seine Zeichnungen und Schnitte auf die Gegen-
wart ausüben.
Grien ist mehr Zeichner als Grünewald, allerdings ein Zeichner, bei dem der Kolorist
stets merkwürdig mitspricht. Auf den Zeichner aber und dadurch auf Grien's ganze Kunst
wirkte Dürer bestimmend ein, zu dem Grien wohl im Anfang des 16. Jahrhunderts in nahe
Beziehung getreten sein muss und für dessen Eigenart keiner der Zeitgenossen mehr Ver-
ständnis als er besass. Durch Dürer wurde der Zeichner, durch Grünewald der Maler Grien
beeinflusst, eine eigenartige oft sehr wirkungsvolle Verbindung des Zeichners und des Kolo-
risten, nicht ein so konsequenter Stil, wie wir ihn bei jenen bewundern, ist dadurch für
ihn charakteristisch.
Dürer regte Grien auch vor allem zu sorgfältigem Naturstudium an, von dem sein
Skizzenbuch in Karlsruhe so interessant berichtet,^) er weckte in ihm den Sinn für scharfe
Charakteristik, der zumal seine Männerköpfe auszeichnet, die wiederholt Dürer sehr nahe
kommen, auf den auch Grien's Aktstudien weisen, die sei es als Adam und Eva, als Hexen
oder Lukretia, ja auch in seinen allegorischen Gestalten und verschiedenen Todtentanz-
bildern in seinen Zeichnungen, Schnitten und Gemälden eine grosse Rolle spielen.
Grien strebt nach einem einfachen, grossen Stil, er erreicht ihn auch in dem Freiburger
Hochaltar weit mehr als die meisten seiner Zeitgenossen, in ihm liegt neben den malerischen
Effekten häufig auch ein Hauptgrund der schlagenden Wirkung seiner Holzschnitte und
Zeichnungen. Grien wagt hier oft einen kühnen Grift, wie in dem prächtigen Blatt des
hl. Christophorus, bei dem, während der Heilige in vollem Lichte in den klarsten, einfachsten
Strichen gezeichnet ist, der tiefschwarze Nachthimmel nur von einzelnen lichten Wolken
erhellt, einen schlagenden Kontrast bietet und natürlich mehr noch als der schlichte Holz-
schnitt sind Grien's Helldunkelblätter, wie etwa die merkwürdige Hexenküche, und seine
Zeichnungen malerisch überraschend wirksam.
Grien scheint sich offenbar gern an schwierigen Problemen zu versuchen, ich erinnere
unter den Holzschnitten an den Sturz des Saulus, an Christus, der von Engeln im Bahrtuch
getragen zu Gott Vater emporschwebt, an die Zeichnung des stürzenden Reiters oder an
die Reiter, die im Kampf mit dem Tod unterliegen.^) In diesen Zeichnungen und z. B. auch
in den von wilder Leidenschaft durchzuckten Gestalten des Holzschnittes von Adam und
Eva, auch in einzelnen Gemälden wie „der Tod und das nackte Weib" (Basel) erreicht
Grien eine für jene Zeit höchst merkwürdige, packende, echt dramatische Wirkung, der zu
lieb er selbst vor dem Hässlichen keineswegs zurückschreckt.
Für die koloristischen Versuche Grien's ist sein feines Stimmungsbild der Geburt Christi
auf dem Freiburger Hochaltar bezeichnend, das unter diesem Gesichtspunkt ja auch schon
mehrfach erwähnt wurde, ein besonders interessantes Beispiel hiefür bietet aber auch seine
Sintfluth von 1516 in der Bamberger Galerie. An diesem Bilde bewundern wir vor allem

1) M. Rosenberg: Hans Baidung Grien's Skizzenbuch in Karlsruhe. Frankfurt a. M. 1889.
2) Handzeichnungen alter Meister, herausgegeben von Schönbrunner u. Meder. Tafel 44.
3) Th. v. Frimmel: Kleine Galeriestudien. Bamberg 1891. S. 79.
 
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