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Besonders wichtig aber werden diese Meister für das historische Studium in ihren
Holzschnitten und auch in den Stichen dadurch, dass diese zumal der Schnitt, dessen wichtige
Rolle in der oberdeutschen Kunst des 16. Jahrhunderts wir ja bei Dürer, dann auch und
zwar gar verschiedenartig bei Holbein, Kranach, Burgkmaier und Baidung Grien beobachteten,
durch den Druck an die Stelle der Miniatur trat, er wurde die gebräuchlichste Illustrations-
weise. Die Illustration aber und daher im Mittelalter Federzeichnung und Miniatur jetzt
dagegen der Holzschnitt war naturgemäss vor allem berufen von der Zunahme der allge-
meinen Bildung zu erzählen, die dem Künstler neue Stoffe brachte, die ihn damit auch zu
neuen künstlerischen Problemen führen musste, zu einer passenden Sprache für die neuen
Gedanken. Die Ansätze zu diesen Vorgängen beobachteten wir ja schon bei Dürer, die
Lösung, zu der der weitere Verlauf des 16. Jahrhunderts die Wege ebnet, bietet die nieder-
ländische Malerei des 17. Jahrhunderts.
Gerade um den durch die gesteigerte Bildung des 16. Jahrhunderts bedingten Reich-
thum der Stoffe richtig zu würdigen, darf man nicht bei den Hauptmeistern stehen bleiben,
sondern muss namentlich auch auf die zahlreichen Illustrationen und Einzelblätter der fol-
genden Generation sehen. Diese enthalten alles mögliche aus profaner und kirchlicher
Geschichte, Ereignisse des Tages, Portraits, Darstellungen von Sage und Geschichte, wie
zahlreiche Genrebilder, oft gehen sie rein aus der Freude am künstlerischen Gestalten hervor,
häutig wollen sie Altes und Neues dem wissbegierigen Volke erzählen, jedenfalls aber bieten
sie dem Künstler mannigfaltige Beziehungen zum Leben des Tages, bringen das Volk viel-
fach in Berührung mit der Kunst.
Aus Schäuffeiin's reichem Holzschnittwerk möchte ich zunächst als für ihn und seine
Zeit sehr bezeichnend auf die Geschichte der Judith (Pas. 137) verweisen, die er ja auch
1515 als Wandgemälde im Rathhaus zu Nördlingen ausführte. Was ihn an dem Vorwurf
anzieht, ist sofort klar, er giebt ihm Gelegenheit zu einer ausführlichen Schilderung des
Kriegslebens, wozu er ganz unbefangen in seine nächste Umgebung greift und dadurch ein
hübsches Bild soldatischen Treibens aus dem frühen 16. Jahrhundert bringt. Dieselbe Freude
breit genreartig zu erzählen, zeigen seine Esther (Pas. 135), die Geschichte der Susanna
(Pas. 136) und auch Loth mit seinen Töchtern (B. 4), der sich von den damals so beliebten
Genrebildern mit Liebespaaren nur durch den Hintergrund unterscheidet mit der brennenden
Stadt und Loth's Weib als Salzsäule.
Diese genreartige Darstellung, die von der unbefangenen Freude des Künstlers an der
Natur und seiner Umgebung erzählt und im Gegensatz zu Dürer's tiefer Auffassung sich in
behaglich breitem Schildern ergeht, zeigt sich aber keineswegs nur bei den Bildern des
alten Testamentes, die damals neu erfunden wurden, sondern erstreckt sich auch auf Scenen
aus dem neuen Testament und führt hier zu dem so wichtigen Bruch mit den durch lange
Tradition ehrwürdigen Darstellungen.
Hiefür ist Schäuffeiin's Holzschnitt des Abendmahles (B. 26) sehr charakteristisch und
zwar noch mehr durch seine genreartige Erzählung, besonders auch durch die Zuthat frei
erfundener Nebenßguren, als durch die Renaissance-Architektur, er zeugt dadurch von dem
Fortschreiten der Renaissance-Bewegung zumal, wenn man ihn mit Dürer's bedeutenden
Holzschnitten desselben Gegenstandes vergleicht, die keine Spur einer derartigen Auffassung
zeigen, sondern sich auf die schlichte aber tief erfasste Wiedergabe des bedeutenden Ereignisses
Abh. d. III. CI. d. k. Ak. d. Wiss. XXII. Bd. I. Abth. 23
 
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