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aber charakterisieren die vier lebensgroßen Apostelstatuen an den
Vierungspfeilern, also jenen Bauteilen, deren Ausführung haupt-
sächlich die große Tat des 14. Jahrhunderts war. Petrus, Paulus,
Jakobus und Bartholomäus stehen auf Konsolen, von denen die
beiden ersten hübsche Efeugewinde schmücken, die des Bartholomäus
ein Kopf mit prächtigem Laubkranz, jene des Jakobus einfacher-
gotische Blätter.
Schon dieses Ornament zeigt das feste Stilgefühl der Zeit, ihre
reiche Phantasie, das jugendlich frische Leben, das in ihr arbeitet.
Vom Chor bis zur Westfassade, also vom späten 13. bis ins 15. Jahr-
hundert, durchläuft das Ornament eine reiche Entwicklung, ändert
sich und schreitet fort in den einzelnen Formen, steigert vor allem
später die Wirkung und wird freier, kühner, effektvoller. Aber jene
ältere, einfachere und strengere Weise behauptet sich vollkommen
neben der späteren; sie besitzt ihre eigenen Reize, die durch diese
Gegensätze erst recht zur Geltung kommen. Wie das Ornament,
so auch die figürliche Plastik! Linst als Schmuck des Gebäudes
untrennbar mit der Architektur verbunden, löst sie sich jetzt von
ihr. Sie kann sich jetzt freier entfalten, ihren eigensten Zielen nach-
streben, die Form mehr und mehr durchdringen; sie kann lebendiger
und wirkungsvoller gestalten.
Bei den Apostelfiguren ist die Sprache noch schlicht und einfach,
aber gerade dies begründet die große Wirkung. Die Gestalt wird nur
in ss»en Hauptzügen, im wesentlichen aber richtig, erfaßt. Einfach,
aber klar sind die Falten, sie deuten nur den Hauptlauf an;
selten, dann aber meist als feiner Beobachter, geht der Künstler
etwas ins Detail.
Ruhig-ernst stehen diese Männer da, aber die leichten Schwin-
gungen des Körpers verraten, daß sich in ihnen stärkeres Leben
regt. Die Haltung des wohl modern überarbeiteten Paulus ist
schon ein Ausdruck seines Charakters. Stolz erhebt er den Kopf,
kühn hat er den Mantel über die Schulter geworfen, mit der
Rechten stützt er sich auf sein mächtiges Schwert, in der gesenkten
Linken hält er das geschlossene Evangelium. Im Gegensatz zu dem
dramatisch bewegten Paulus blickt Petrus sinnend in das Evan-
gelium, das er in der Linken hält, während er rechts den mächtigen
Himmelschlüssel trägt (Taf. 20). Wie einfach ist diese Gestalt, und doch
zeigt sie viel gute Naturbeobachtung, so etwa in der Rechten des

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