sie natürlich am deutlichsten, wo Gegenstände ausgenommen werden,
die jene vorbildete, wie beim lmu8 8Lnctas cruci8, oder bei demOpfertod
Christi. Gerade der Vergleich solcher Bilder zeigt aber auch wesentliche
Unterschiede und deutliche Fortschritte. Die wachsende Selbständigkeit
der nordischen Phantasie ist bei Christi Opfertod nicht zu verkennen,
denn an Stelle der antikisierenden Personifikationen von 8ol und
luna treten Sonne und Mond, in die nur noch Gesichter einge-
zeichnet sind. Statt der weiblichen Figur der vita symbolisiert das
Leben ein Jüngling, an Stelle des zusammenbrechenden mor8 mit
dem verbundenen Kopf erscheint ein nackter Mann mit dem Toten-
schädel; ebenso werden Kirche und Synagoge entsprechend umgebildet.
An einen Gedanken, der sich schon in einem Bamberger Evangeliar
des frühen 11. Jahrhunderts findet (clm.4454), knüpft der Baum der
christlichen Kirche an. Welche Entwicklung der Phantasie wie der
künstlerischen Sprache zeigt er aber, wenn wir ihn mit dem aller-
dings etwa vierhundert Jahre älteren, starren symbolischen Bilde ver-
gleichen. Dort Christus vor dem schematisch gezeichneten Baum des
Lebens, an den sich Himmel und Erde, 8ol und luna, die Evange-
listensymbole und die Paradiesflüsse anschließen, hier der stattliche
Stamm eines Baumes, den nach der Inschrift das Alte und Neue
Testament bilden, aus dem zu beiden Seiten prächtig stilisierte
Aste wachsen, an denen heilige Schriften verzeichnet sind. Am Stamm
dieses Baumes sehen wir Moses Schlange, oben Christus am Kreuz,
als Krone des Baumes den Weltenrichter, bei dem Johannes und
Maria Fürbitte einlegen; unten aber steht, begeistert ausblickend, eine
schöne Frau mit der Kaiserkrone, die „8acrL tbeoIoZia §Iorio8a
imperatrix."
Die phantasievollsten Gestalten unseres Künstlers sind vier
Figuren, deren eine, ein hübsches, gekröntes Weib, die Braut Christi
darstellt, die zweite die „6Iia babiloin8 mi8era«, eine nackte magere
Frau, um die sich die Schlange windet. Dann folgt der asketische
hl. Bernhard und schließlich der Satan. Den hübschen Kopf des
Bösen umrahmen kurze, krause Haare und schmückt ein Diadem aus
Pfaufedern, während üppige, lange Locken den Rücken herabfließen;
mächtige, weitgespannte Fledermausflügel scheinen ihn emporzutragen,
aber sein rechtes Bein »vita" hält ihn mit den Krallen an der
Erde fest, das linke „moi-8", das in einen Drachenkopf endet, beißt
in dasselbe. Die ausgeklügelte Allegorie, die nach alter Weise vor
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die jene vorbildete, wie beim lmu8 8Lnctas cruci8, oder bei demOpfertod
Christi. Gerade der Vergleich solcher Bilder zeigt aber auch wesentliche
Unterschiede und deutliche Fortschritte. Die wachsende Selbständigkeit
der nordischen Phantasie ist bei Christi Opfertod nicht zu verkennen,
denn an Stelle der antikisierenden Personifikationen von 8ol und
luna treten Sonne und Mond, in die nur noch Gesichter einge-
zeichnet sind. Statt der weiblichen Figur der vita symbolisiert das
Leben ein Jüngling, an Stelle des zusammenbrechenden mor8 mit
dem verbundenen Kopf erscheint ein nackter Mann mit dem Toten-
schädel; ebenso werden Kirche und Synagoge entsprechend umgebildet.
An einen Gedanken, der sich schon in einem Bamberger Evangeliar
des frühen 11. Jahrhunderts findet (clm.4454), knüpft der Baum der
christlichen Kirche an. Welche Entwicklung der Phantasie wie der
künstlerischen Sprache zeigt er aber, wenn wir ihn mit dem aller-
dings etwa vierhundert Jahre älteren, starren symbolischen Bilde ver-
gleichen. Dort Christus vor dem schematisch gezeichneten Baum des
Lebens, an den sich Himmel und Erde, 8ol und luna, die Evange-
listensymbole und die Paradiesflüsse anschließen, hier der stattliche
Stamm eines Baumes, den nach der Inschrift das Alte und Neue
Testament bilden, aus dem zu beiden Seiten prächtig stilisierte
Aste wachsen, an denen heilige Schriften verzeichnet sind. Am Stamm
dieses Baumes sehen wir Moses Schlange, oben Christus am Kreuz,
als Krone des Baumes den Weltenrichter, bei dem Johannes und
Maria Fürbitte einlegen; unten aber steht, begeistert ausblickend, eine
schöne Frau mit der Kaiserkrone, die „8acrL tbeoIoZia §Iorio8a
imperatrix."
Die phantasievollsten Gestalten unseres Künstlers sind vier
Figuren, deren eine, ein hübsches, gekröntes Weib, die Braut Christi
darstellt, die zweite die „6Iia babiloin8 mi8era«, eine nackte magere
Frau, um die sich die Schlange windet. Dann folgt der asketische
hl. Bernhard und schließlich der Satan. Den hübschen Kopf des
Bösen umrahmen kurze, krause Haare und schmückt ein Diadem aus
Pfaufedern, während üppige, lange Locken den Rücken herabfließen;
mächtige, weitgespannte Fledermausflügel scheinen ihn emporzutragen,
aber sein rechtes Bein »vita" hält ihn mit den Krallen an der
Erde fest, das linke „moi-8", das in einen Drachenkopf endet, beißt
in dasselbe. Die ausgeklügelte Allegorie, die nach alter Weise vor
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