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Rintelen, Friedrich
Reden und Aufsätze — Basel: Benno Schwabe & Co., Verlag, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.50018#0036

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besonders lehrreich ausgeben. In dem Abschnitt über die
Skulptur kommt man an eine Stelle, wo sich Jacob Burck-
hardt rückhaltloser äußert als sonst. Man würde schwerlich
erraten, bei welchem Künstler. Es ist weder einer der großen,
noch gotisierenden Meister um 1300, noch der kühn vor-
dringende Donatello, noch Ghiberti mit den anmutigen Linien,
noch einer der großen Meister des späten Quattrocento oder
gar Michelangelo. Vielmehr ist es der harmlose Schöpfer
der farbigen Tonmadonnen Luca della Robbia, von dem
mit einer Liebe gesprochen wird, wie sonst von keinem.
Schon das spricht über Jacob Burckhardts Natur sehr beredt,
daß die wärmste Liebe mit der größten Bewunderung nicht
zusammenfällt. Er weiß wie jeder andere, daß es größere
Potenzen als die des Robbia gegeben hat. Aber in diesem
findet er ein Verhältnis zu Dasein und Handwerk, daß man
sagen möchte, dies habe ihm das gesund Normale bedeutet;
den Ausdruck „eines tief ruhigen einfachen Daseins, ohne
Sentimentalität oder Absicht auf Rührung“ bewundert er;
„hundertmal“, heißt es ferner, „wurden die gleichen Seelen-
kräfte in gleicher Weise angestrengt, ohne dabei zu er-
lahmen“. Ein Schutzgeist habe unsichtbar über der Werk-
statt gewaltet.
Es ist, als habe er hier so etwas wie den Unschuldszustand
der italienischen Volksseele wahrgenommen. Indem er da
die eigene Seele badet und labt, mag er empfunden haben,
an dem Lebenselement der ganzen italienischen Kunst teil-
zunehmen. Diese Art sich zu assimilieren, so mochte er
sich sagen, das überschreitet niemandes Kraft, auch die meine
nicht; wer aber diese besitzt, der kann getrost von da aus in
die Tiefen dringen oder in die Höhe sich erheben, er wird den
Sinn nie ganz verfehlen.
So also wird dieses Kunstbüchlein unversehens zu einem
Vade mecum auf dem Lebenswege überhaupt.
In Rafael erlebt Jacob Burckhardt wie seine ganze
Generation das Höchste, und was bei uns vielen einfach als
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