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Rintelen, Friedrich
Reden und Aufsätze — Basel: Benno Schwabe & Co., Verlag, 1927

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https://doi.org/10.11588/diglit.50018#0271
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physikalischen Erkenntnisse, daß jenes Prinzip nicht nur ein
metaphysisches Postulat sei, sondern zur wissenschaftlichen
Erklärung der mechanischen Vorgänge selbst erfordert werde.
Im wesentlichen sind es zwei Erwägungen, die Leibniz zu
seinem Begriffe der Kraft brachten. Einmal fand er, daß
nicht, wie Descartes gemeint hatte, stets die gleiche Bewe-
gungsmenge erhalten bliebe, daß sich vielmehr überall bei
körperlichen Vorgängen eine Wirkung nachweisen lasse, die
nicht Bewegung sei: die Wirkung des Widerstandes. Sodann
schien sich die Tatsache der Zunahme in der Schnelligkeit
eines fallenden Körpers nur dadurch erklären zu lassen, daß
man eine Kraft in ihm annimmt, die nicht mit der örtlichen
Bewegung identisch ist.103)
Es erhebt sich nun die Frage, wie es gekommen ist, daß
Leibniz diese naturwissenschaftlich erfaßte Kraft zu dem
allein Realen in der Körperwelt erhoben hat. Ich glaube, der
Grund liegt in der Problemstellung Descartes’ bei der Unter-
suchung der körperlichen Substanz. Descartes suchte fest-
zustellen, was das Wesen der Materie bilde, indem er fragte,
was an ihr Gegenstand klarer und deutlicher Erkenntnis sein
könne. Als Mathematiker gab er die Antwort, daß dies die
Ausdehnung sei, Leibniz, der die Wahrheit dieser Antwort
in lebhaften Zweifel gestellt hat, wußte gegen die Frage-
stellung nichts einzuwenden, d. h. er meinte, dadurch, daß das
in der Körperwelt klar und deutlich Erkannte herausgehoben
würde, fände die Substanz ihre Definition; statt in die Aus-
dehnung setzte er in die Kraft das Substanzielle und Wesent-
liche der Materie.
Aber es kommt noch etwas hinzu. Leibniz macht nämlich
einen deutlichen Unterschied zwischen der Welt des Seins
und der der Erscheinung. Er selbst versichert, dazu durch
Platon veranlaßt zu sein. Ueberzeugt, wie er von dem Ge-
danken der Atomisten ist, daß alles Körperliche geteilt und
103) Näher ausgeführt hat Leibniz diese Gedanken in seinen
Briefen an de Volder; vgl. besonders II, 191.

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