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Ritter, William; Segantini, Giovanni [Ill.]
Segantini — Künstler-Monographien, Band 72: Bielefeld [u.a.]: Velhagen & Klasing, 1904

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https://doi.org/10.11588/diglit.61492#0048
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Die schwersten Zeiten — das Studium gegen die Überzeugung und ohne Beifall
der Lehrer — waren nun vorüber.
Am Morgen nach seinem großen Erfolg mit dem „Chor des heiligen Antonius"
war der junge Künstler in der Lage, sein erstes Atelier zu mieten in der Via San
Marco. Aus dieser Zeit stammt seine Verbindung mit den Gebrüdern Grubicy.
Ihnen gebührt der Ruhm, sein Talent gleich in den ersten Anfängen erkannt und, wie
Beltrami berichtet, ihm die Mittel gewährt zu haben, frei seine Kunst entfalten zu
können. Woran so viele Talente früh erlahmen, die pekuniäre Sorge, nahmen sie ihm
ab und ersparten ihm auch den schweren Weg der Stipendienkonkurrenzen.
Das Atelier in der Via San Marco wurde gar oft vernachlässigt, um in den
Voralpen zu Studienzwecken umherzuschweifen. Doch sah es gar viele mühsame, technische
Versuche und den schweren Kampf mit den oft unübersteiglichen Anforderungen, welche


Abb. 34. Heimkehr zum Stalle. Spätere Zeichnung. (Zu Seite 58.)

der noch unerfahrene jugendliche Künstler an seine Muse stellte. Alles, was uns aus
dieser Zeit erhalten blieb, zeugt von gewaltigem, fast kriegerischem Geist und erregbarer
Phantasie. Aber wie fast alle Erstlingswerke der bedeutendsten Meister, sind auch die
seinigcn weit entfernt von der einfach naiven Natnranschauung, welche erst später das
klare und verständliche Ausdrucksmittel seiner individuellen Lebensauffassung wird. Mangel-
haft ist noch die Zeichnung in oft, bis zur Monotonie, wiederholten Kompositionen.
Und trotzdem begeht die Nachwelt immer wieder die Sünde, dies Kinderstammeln der
Muse, das nur selten in einem Laut die künftige Poesie verrät, pietätlos wieder ans
Licht zu zerren.
Der junge Segantiui weiß ebenfalls noch nicht was er will, oder vielmehr er will
noch nichts weiter als malen und eine wahre Sehnsucht nach dem Leben im Freien
verfolgt ihn. In seinen vier Wänden malt er nur um Farben hinzusetzen, ohne höheren
Zweck und gleicht ans ein Haar jenen, welche er in dem bald folgenden autobiographischen
Resümee seiner Laufbahn bis zum Entstehen seines Bildes ,,^Un StanZu" anklagt
die Kunst herabzuziehen, indem sie beliebige Gegenstände auf der Leinwand in ganz
 
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