Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Bon Julius Rodenberg.

29

Habsucht, die Leidenschaft, die getäuschte Hoffnung, die Ver-
zweiflung des ruinirten Spielers sind nicht so leicht zu be-
ruhigen. Denn wir wiffen es ja, „die Käufer und Verkäufer,
die Wechsler und die Krämer" gehen niemals von selber, man
niuß sie austreiben. Nun läutet es zum zweitcn mal, und
nun werden sie wirklich ausgetrieben; die Börse wird ge-
schlossen und der Raum, eben noch voll vom „toliu vubolru"
des Markts, ist leer und still, todtenstill und der Steinboden
ganz beschneit mit weißen Papierfetzen — Trümmer stattlicher
Besitzungen, Brouillons neuerworbener Reichthümer, die morgen
vielleicht auch schmelzen wie Schneeflocken. . . .

Drei Uhr nachmittags — „v'Is, lo xluisir!" wie die Kuchen-
weiber rufen, die nun hier und da schon mit ihren schweren
Körbeu und leichtem Gebück in den Straßen erscheinen. „Vla
Is pluisir!" — der Corso, die kleinen, hübschen Wagen, die Fahrt
ins Freie, die Champs-Elysees, das Bois de Boulogne. Ganz
Paris ist nun in Bewegung. Die Boulevards strahlen und
glänzen in der Helligkeit des Frühlingsnachmittags, ihre Büume
schimmern voni ersten, frischesten Grün, — die glückselige Menge
wogt auf und nieder, — welch ein bunter, fröhlicher Menschen-
strom! Vor den Kaffeehäusern wird geraucht, gelacht, geplau-
dert, Absynth getrunken. Die Omnibuffe, die stattlichen Car-
roffen, dis voiturss Uo rsmiss, die vffenen Zweispänner und
die zierlichen Coupös wirbeln durcheinander — alles drängt
hinaus ins Freie, in den Sonnenschein, in das Grüne! Paris
— schöne Stadt des Frühlings, wo Lie Rosen früher duften
und die Veilchen niemals sterben! Welch einen Schimmer diese
Sonne hat — und wie die Farben darin leuchten! Wie phau-
tastisch, bis in das Blau der Himmels hineiu, diese prächtigen
Stcinfacaden emporsteigen, diese Kuppeln, diese Säulen im
Aihambrastil, diese Mosaikfronten, diese Dächer mit den golde-
nen Rändern! Wie die Ladenschilder, die Firmen, Lie Affichen
in tausend bizarren Formen an den Wänden hinaufklettern;
bier von einem Balkon auf uns herabkichernd, dort mit langen
Seiltänzerbeinen aus dem ersten schräg bis iu den fünften Stock
steigend! Das ist alles so sinnreich, so heiter und so amusant.
Hier wie mit einem Federstrich in die Luft geschrieben, flimmert:
„Nadar" (Nadar, ihr wißt es, ist der große Photograph, aber
 
Annotationen