Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Rodenberg, Julius
Paris bei Sonnenschein und Lampenlicht: ein Skizzenbuch zur Weltausstellung — Leipzig, 1867 (2. Aufl.)

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.1385#0064
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
56 II. Die bildende Kmist in Paris.

großartiger Anblick, ivenn man in London von den verschie-
denen Brücken auf das Wasser niederschaut, das dem unaus-
gesetzten Treiben des Welthandels und der Weltindustrie zum
Schauplatz dient. Aber auch die ganze Umgebung, unansehnlich
und unschön, dient hier dem Nutzen allein. Nur in verein-
zelten Fällen liegen stattlichere Bauwerke an der Themse, und
eben jetzt erst beginnt man mit der Anlage eines Quais. Jn
keiner andern Stadt jedoch ist der Fluß, der sie dnrchschneidet,
so glücklich zu ihrer Verschönerung benutzt, als in Paris. Die
Quais und Brücken sind prächtige Anlagen. Viele der schönsten
Gebäude liegen an der Seine. Man blicke nur vom Pont
Neuf, wo sich beide Arme Les Flusses vereinigen, nach beiden
Seiten, stromaufwärts gegen Notre-Dame, stromabwärts gegen
die imposanten Massen Les Louvre- und Tuilerienpalastes!
Wandert man durch Londons Straßen, man erblickt nichts als
einförmige, schmucklose, angeräucherte Ziegelkasten; fast lauter
Prvben der Geschmacklosigkeiten sieht man aus den verschie-
densten Perioden der Architektur. Jn Paris dagegen scheint
die Baukunst aller Zeiten das Beste geleistet zu haben, alle
Stile haben bedeutende Denkmale zurückgelassen, und die stei-
nernen Geschichtsurkunden der Weltstadt verkünden neu die alte
Wahrheit, Laß die besondere Eigenschaft der Franzosen der
Geschmack ist.

Jch habe das alte Paris nicht gekannt. Reizvoll und ma-
lerisch muß früher Ler Anblick der ältern Stadttheile, namentlich
der Jnseln zwischen den Seineufern gewesen sein, mit den un-
regelmäßigen Gäßchen und Winkelchen und den hochaufge-
thürmten Steinmassen alterthümlicher Häuser. Das alles ist
der nivellirenden Macht des zweiten Kaiserreichs gewichen, und
was etwa noch steht, wird ihr bald weichen. Alles wird dem
Boden gleichgemacht, auf dem dann ein modernes, weites,
glänzendes Paris ersteht. Die große Maffe des Alten ist ver-
schwunden, und nur einige der bedeutendsten Denkmäler blieben
bestehen. Sogar Reste aus römischer Zeit sind vvrhanden, in
den Thermen neben dem Hötel de Cluny. Eine statt-
liche Schöpfung der romanischen Kunst des Mittelalters ist St.-
Germain desPrös. Eine hervorragende Bedeutung erlangt
aber die Architektur von Paris erst mit dem gvthischen Stil,
 
Annotationen