III. Von dem franz. Geist und der geistigen Arbeit in Paris. 77
Nachlässigkeit der Aeltern, die Noth des Elends, die Gleichgültig-
keit der Aufgeklärten, der leichtfinnige, ungeduldig bewegliche
Nationalcharakter, die alles verzehrende Centralisatiou, und end-
lich eine verschwenderische Regierung, die sich bestündig mehr
um den Schein eines vergänglichen Ruhms kümmert, als um
die Lebensbedingungen des Landes: das sind die so häufig
angeführten Gründe der niedrigern Bildungsstufe Frankreichs
im Vergleich zu Deutschland. Jedenfalls fehlt es daselbst nicht
an öffentlichen Unterrichtsanstalten; es wimmelt davon in
Paris (wo es 1866 etwa 500 Gemeindeschulen gab, Kinder-
gärten, Jugendschulen, Special- und Handwerkerschulen u. s. w.,
die von 70 — 80000 Kindern besucht wurden) und sie be-
stehen reichlich in der Provinz. Mit Ausnahme von ein
paar hundert dürftigen Flecken, kann jedes Dorf, jede Ge-
meinde eine Elementarschule aufweisen, jeder Hauptort eines
Departements eine Normalschule zur Ausbildung der Schul-
lehrer, ein kaiserliches oder städtisches Lyceum, ein kleines und
ein großes Priesterseminar, eine mehr oder minder große An-
zahl von Anstalten für Männer und Frauen, denen Laien-
brüder oder Mönche vorstehen, und endlich seit einiger Zeit auch
eine Realschule. Außerdem wird der höhere Unterricht in den
Akademien ertheilt, einer Art von Universitäten, die sich
auf einige größere Städte beschränken. Alle diese kleinern
und größern Anstalten jedoch streben nach dem Mittelpunkt
und vereinigen sich mit der Universite de France, die ihren
Sitz in Paris hat. Hier wie überall ist Paris der schöpfe-
rische Mittelpunkt, welcher den Raum mit Planeten besäet,
denen er das Licht ertheilt, aber von denen er auch seiner-
seits, durch ein Verfahren, welches unjere Sonne zum Glück
nicht kennt, das Licht wiederum borgt. Paris leuchtet nicht so
billig wie die Sonne; das Licht, das es über die Provinz ver-
breitet, erfordert ein Brennmaterial, deffen Kosten zum größten
Theil die Provinz bestreiten muß. Sobald sich ein Profeffor
in der Provinz einen Namen gemacht, erstrebt er nur noch
eins: einen Lehrstuhl in Paris! Und nicht allein auf diese,
auch auf unfertige junge Leute wirkt die gleiche Anziehungskraft.
Die guten und besten Gymnasialschüler aus den Departements
strömen nach der „6ranä'-V11Is" — der Hauptstadl, würden wir
Nachlässigkeit der Aeltern, die Noth des Elends, die Gleichgültig-
keit der Aufgeklärten, der leichtfinnige, ungeduldig bewegliche
Nationalcharakter, die alles verzehrende Centralisatiou, und end-
lich eine verschwenderische Regierung, die sich bestündig mehr
um den Schein eines vergänglichen Ruhms kümmert, als um
die Lebensbedingungen des Landes: das sind die so häufig
angeführten Gründe der niedrigern Bildungsstufe Frankreichs
im Vergleich zu Deutschland. Jedenfalls fehlt es daselbst nicht
an öffentlichen Unterrichtsanstalten; es wimmelt davon in
Paris (wo es 1866 etwa 500 Gemeindeschulen gab, Kinder-
gärten, Jugendschulen, Special- und Handwerkerschulen u. s. w.,
die von 70 — 80000 Kindern besucht wurden) und sie be-
stehen reichlich in der Provinz. Mit Ausnahme von ein
paar hundert dürftigen Flecken, kann jedes Dorf, jede Ge-
meinde eine Elementarschule aufweisen, jeder Hauptort eines
Departements eine Normalschule zur Ausbildung der Schul-
lehrer, ein kaiserliches oder städtisches Lyceum, ein kleines und
ein großes Priesterseminar, eine mehr oder minder große An-
zahl von Anstalten für Männer und Frauen, denen Laien-
brüder oder Mönche vorstehen, und endlich seit einiger Zeit auch
eine Realschule. Außerdem wird der höhere Unterricht in den
Akademien ertheilt, einer Art von Universitäten, die sich
auf einige größere Städte beschränken. Alle diese kleinern
und größern Anstalten jedoch streben nach dem Mittelpunkt
und vereinigen sich mit der Universite de France, die ihren
Sitz in Paris hat. Hier wie überall ist Paris der schöpfe-
rische Mittelpunkt, welcher den Raum mit Planeten besäet,
denen er das Licht ertheilt, aber von denen er auch seiner-
seits, durch ein Verfahren, welches unjere Sonne zum Glück
nicht kennt, das Licht wiederum borgt. Paris leuchtet nicht so
billig wie die Sonne; das Licht, das es über die Provinz ver-
breitet, erfordert ein Brennmaterial, deffen Kosten zum größten
Theil die Provinz bestreiten muß. Sobald sich ein Profeffor
in der Provinz einen Namen gemacht, erstrebt er nur noch
eins: einen Lehrstuhl in Paris! Und nicht allein auf diese,
auch auf unfertige junge Leute wirkt die gleiche Anziehungskraft.
Die guten und besten Gymnasialschüler aus den Departements
strömen nach der „6ranä'-V11Is" — der Hauptstadl, würden wir