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Rodenberg, Julius
Paris bei Sonnenschein und Lampenlicht: ein Skizzenbuch zur Weltausstellung — Leipzig, 1867 (2. Aufl.)

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https://doi.org/10.11588/diglit.1385#0342
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334 XIV. Das unterirdische Paris und die Todten.

Nein. mein lieber Leser! Sogar in Paris müffen alle
Menschen sterben. Jener verschämte Trauerzug brachte einen
Menschen, Mann, Frau oder Kind, die gestern vielleicht, vor-
gestern gewiß noch in dieser Sonne von Paris gelebt und ge-
lacht haben, zur ewigen Ruhe — die man hier in Paris
nur sehr weit draußen findet. Der schwarze Kutscher, der
schwarze Wagen und die schwarzen Pferde kennen ihren Weg
— sie machen ihn täglich, wer weiß wie vielmal (drum haben
sie es auch so eilig) und die schwarzen Männer mit dem Flor,
ich habe die Ehre ste dir vorzustellen, sind „Nossisurs Iss
emplozchs äss pompss luusbrss".

Es ist wahr: die Menschen sterben in Paris so gut oder
so übel wie in aller Welt; aber fie laffen sich ohne viel Um-
stände begraben und machen, noch mit einem höflichen Gruß
gleichsam, den Lebendigen und dem Leben Platz . . . „Nsssisurs
Iss siuxlo^ss" ... wir sagen: „Leichenbitter, Todtengräber,
st Iioo Asuus oruus" — und Shakspeare sagt:

Ein Grabscheit und ein Spaten wol,

Sammt einem Kittet aus Lein,

Und, o! eine Grube, gar tief und hohl,

Für solchen Gast muß sein . . .

Der Unterschied ist, daß die französische Höflichkeit bis zu
diesem äußersten Moment vorhält und bis ins Grab mitgeht
und . . . und . . . und dennoch:

. . . eine Grube, gar tief und hohl,

Für solch einen Gast muß sein.

Den größten Friedhof von Paris sieht man nicht mehr.
Er ist geschlossen. Niemand kann da mehr hineingehen, weder
ein Lebender, noch ein Todter. Es ist kein Platz mehr darin.
Er liegt viele Klafter tief unter der Erde. Viele Millionen
Todte schlafen dort, übereinander gehäuft in häuserhohen Haufen,
fest wie die Mauern; Schädel, Gerippe, Beinknochen und Arm-
knochen . . . die Todten vieler Jahrhunderte, hier zusammen-
gepackt ohne Unterschied des Ranges, des Standes, des Ge-
schlechts. Hier gibt es keine Aristokratie des Todes, hier
herrscht die fürchterlichste Demokratie; Priester und Gottesleug-
 
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