Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Römisch-germanisches Korrespondenzblatt: Nachrichten für römisch-germanische Altertumsforschung — 4.1911

DOI Heft:
Nr. 6 ( Nov. u. Dezember)
DOI Artikel:
Schmidt, Ludwig: Zur Alisofrage
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.24881#0110

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
94

dass Oberaden das von Dio erwähnte, am Einfluss des Elison in die Lippe
gelegene Kastell des Drusus ist; denn dieses war offensichtlich dazu bestimmt,
die gefährlichsten damaligen Feinde Roms, die Sugambrer (zwischen unterer
und mittlerer Lippe und Sieg), in Schach zu halten. Kropatscheck neigt der
Annahme zu, dass Aliso = Haltern sei, ohne sich mit Bestimmtheit dafür
auszusprechen, während Schuchhardt u. A. diese Gleichung für völlig gesichert
halten. Doch hat ein gewichtiges Argument, das für die Lage Alisos an der
oberen Lippe beigebracht worden ist, m. W. noch keine Widerlegung
erfahren. Tacitus ann. II, 7 sagt: cuncta inter castelhim Alisoneni ac Rhenum
novis Umitibus aggeribusqiie permunita (von Germanicus). Diese neue Strassen-
anlage ist die Fortsetzung und Vollendung des von Tiberius im J. 10 n. Chr.
zunächst zur Bekämpfung der Brukterer begonnenen Limes an der Lippe:
wäre Aliso bei Haltern zu suchen, so hätte diese Strecke nicht eine so
lange Bauzeit erfordert, auch hätte Tacitus die Bedeutung dieses Baues
nicht besonders hervorgehoben, wenn es sich nur um einen wenige Meilen
langen Weg handelte 2). Ein weiteres Moment gegen Haltern würde sich
ergeben, wenn das von Tacitus an derselben Stelle kurz vorher erwähnte
anonyme Lippekastell, das die Germanen 16 n. Chr. eingeschlossen hatten,
mit Sicherheit als Aliso anzusprechen wäre; denn es ist ausgeschlossen, dass
die Germanen im Angesicht eines nur sechs Meilen entfernten starken
römischen Heeres eine Belagerung unternommen hätten 3). Das für die Lage
Alisos an der unteren Lippe aus dem Verlaufe des Feldzuges von 16 n. Chr.
entnommene Argument, das Kropatscheck (Gesch.-Bl. S. 11) noch besonders
betont, besitzt keineswegs zwingende Beweiskraft; der Umweg, den Germa-
nicus gemacht hat um die mittlere Weser zu erreichen, bleibt für uns auf
alle Fälle unverständlich, selbst wenn er nur bis Haltern gekommen ist 4).
Gardthausen 5) spricht die treffende Vermutung aus, „dass Germanicus in
Aliso noch gar nicht die Absicht hatte, an die Ems zu marschieren. Mit
der Rückkehr von Aliso an den Rhein endete der erste Feldzug. Erst am
Rhein fasste er den Entschluss, einen zweiten Feldzug zu unternehmen.“
Die Lokalisierung Alisos bei Ptolemäus hat man mit Recht fast allgemein
als wertlos bei Seite gelassen. Die sonst bekannte Arbeitsweise des grie-
chischen Geographen nötigt zu dem Schlusse, dass dieser den ihm aus Tacitus
bekannten Namen an einer ganz beliebigen Stelle seiner Karte eingesetzt hat,
ohne eine genaue Angabe über die geographische Lage zu besitzen. Den
Versuch Langewiesches 6), durch allerhand willkürliche Konstruktionen aus
Ptolemäus einen Beweis für die Identität von Aliso und Haltern heraus-
zubringen, habe ich schon an anderer Stelle zurückgewiesen. Die Anlage
eines römischen Kastells an der oberen Lippe setzt die völlige Befriedung
der innergermanischen Stämme voraus; diese ist aber erst durch die Feldzüge
des Tiberius in den Jahren 4 und 5 n. Chr. erfolgt. Ergibt sich schon hier-
aus, dass Drusus nicht dort eine Station errichtet haben kann, so wird dies
zur Gewissheit durch das Zeugnis des Velleius, der ausdrücklich sagt, dass
das Heer des Tiberius das erste war, das mitten in Germanien 4/5 n. Chr.
überwinterte 7). Dieses Winterlager (ad caput Lupiae) wird man in der Nähe

2) Ox^, Bonner Jahrbücher 114 (1906) S. 130. Delbrück, Gesch. d. Kriegskunst
II 2, 141, 148. v. Domaszewski, Westd. Ztschr. XXI (1902) S. 187 N. 204.

3) Delbrück S. 148.

4) Delbrück S. 149. Vgl. auch Koepp, Die Römer in Deutschland S. 37. Gardt-
hausen, Augustus II, 3, S. 689.

5) a. a. O.

6J Germanische Siedelungen im nordwestlichen Deutschland zwischen Rhein und
Weser. Programm von Bünde auf 1909/10.

7) Vgl. Kropatscheck, Gesch.-Bl. S. 12. Wenn es bei Florus II, 30, 26 heisst, Drusus
 
Annotationen