dem Älteren aufbaut, wenigstens in jenen Gestaltungen,
die man miniatorische Wimmelbilder nennen darf (En-
gelsturz, Triumph des Todes, Dulle Griet). Beide Mei-
ster lieben statt der harmonisierten Großfigur die skurril
verzahnte Menge, die Seltsamkeiten und grotesken Häu-
fungen. Beide geben statt einer harmonisch geschlossenen
Bildform gebrochene und bizarre Kompositionen. Statt
nach hoheitsvollem Menschentum, tasten sie nach dem
Befremdenden, nach dem Absurden hinüber. Kann dies
doch jeder, gerade wenn er von höchsten Ansprüchen her
urteilt, in allem Menschentreiben finden. Die dargestell-
ten Wesen wirken dann wie von unsichtbaren Fäden
gezogen und scheinen nicht mehr aus sich selber zu agie-
ren. Ihre Handlungen gleichen eher unseren nächtlichen
Schreckträumen als unserer wachen Idealität. Soweit sich
Gruppen bilden, scheinen diese jeweils wie durch ge-
heime, aber transparente Zellen voneinander abgetrennt
(in einer Art Collage-Stil), wobei jene Gruppen in ein und
demselben Bild viel mehr gegen- als miteinander handeln.
Diese Einstellung hatte zur Folge, daß Bosch und Brue-
gel im Surrealismus des 20. Jh., der ganz aufs Unbewußte
und den Traum aus war, eine neue Aktualität gewinnen
konnten. Besonders Bosch rief man als großen Ahnen
aus. Immer wieder finden ja jene geistesgeschichtlichen,
sozusagen unterirdischen Rezeptionen statt, mit denen
ein neues Kunstwollen zu einem verwandten, älteren
Beziehungen sucht. Aber es wäre unhistorisch, wenn wir
hierbei vergäßen, worin der große Unterschied der Zeit-
alter liegt: während die Groteske der Surrealisten rein
im Subjektiven schwebt, ruhen bei einem Bruegel auch
die seltsamsten Vorgänge auf religiösen, mythischen oder
Sprichwortwahrheiten, deren Kenntnis man beim gebil-
deteren Publikum voraussetzen konnte. Allerdings darf
man jene ikonologischen Ableitungen nicht allzu skla-
visch in jede Einzelheit hineindeuten wollen, wozu, ein
wenig übersteigert, die eindringlichen Forschungen Wil-
helm Fraengers neigen. Selbst in Bruegels Phantastik (beim
Übergang in eine neue Epoche tritt derartiges öfters auf)
blieb für den Künstler ein beträchtlicher und subjektiver
Spielraum bestehen.
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die man miniatorische Wimmelbilder nennen darf (En-
gelsturz, Triumph des Todes, Dulle Griet). Beide Mei-
ster lieben statt der harmonisierten Großfigur die skurril
verzahnte Menge, die Seltsamkeiten und grotesken Häu-
fungen. Beide geben statt einer harmonisch geschlossenen
Bildform gebrochene und bizarre Kompositionen. Statt
nach hoheitsvollem Menschentum, tasten sie nach dem
Befremdenden, nach dem Absurden hinüber. Kann dies
doch jeder, gerade wenn er von höchsten Ansprüchen her
urteilt, in allem Menschentreiben finden. Die dargestell-
ten Wesen wirken dann wie von unsichtbaren Fäden
gezogen und scheinen nicht mehr aus sich selber zu agie-
ren. Ihre Handlungen gleichen eher unseren nächtlichen
Schreckträumen als unserer wachen Idealität. Soweit sich
Gruppen bilden, scheinen diese jeweils wie durch ge-
heime, aber transparente Zellen voneinander abgetrennt
(in einer Art Collage-Stil), wobei jene Gruppen in ein und
demselben Bild viel mehr gegen- als miteinander handeln.
Diese Einstellung hatte zur Folge, daß Bosch und Brue-
gel im Surrealismus des 20. Jh., der ganz aufs Unbewußte
und den Traum aus war, eine neue Aktualität gewinnen
konnten. Besonders Bosch rief man als großen Ahnen
aus. Immer wieder finden ja jene geistesgeschichtlichen,
sozusagen unterirdischen Rezeptionen statt, mit denen
ein neues Kunstwollen zu einem verwandten, älteren
Beziehungen sucht. Aber es wäre unhistorisch, wenn wir
hierbei vergäßen, worin der große Unterschied der Zeit-
alter liegt: während die Groteske der Surrealisten rein
im Subjektiven schwebt, ruhen bei einem Bruegel auch
die seltsamsten Vorgänge auf religiösen, mythischen oder
Sprichwortwahrheiten, deren Kenntnis man beim gebil-
deteren Publikum voraussetzen konnte. Allerdings darf
man jene ikonologischen Ableitungen nicht allzu skla-
visch in jede Einzelheit hineindeuten wollen, wozu, ein
wenig übersteigert, die eindringlichen Forschungen Wil-
helm Fraengers neigen. Selbst in Bruegels Phantastik (beim
Übergang in eine neue Epoche tritt derartiges öfters auf)
blieb für den Künstler ein beträchtlicher und subjektiver
Spielraum bestehen.
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