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Rosenberg, Marc
Der Hochaltar im Münster zu Alt-Breisach: nebst einer Einleitung über die Baugeschichte des Münsters und drei Excursen — Heidelberg [u.a.], 1877

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https://doi.org/10.11588/diglit.15948#0054
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Die vier Heiligenfiguren in den Seitenflügeln sind nicht von
der gleichen Vollendung wie die Figuren von Gott-Vater und
Christus im Mittelbilde, obgleich diesen die Figuren des rechten
Altarflügels, namentlich was Faltenwurf und Bewegung anbe-
langt, durchaus nicht nachstehen. Dagegen sind die Heiligen
Gervasius und Protasius im linken Flügel in jeder Beziehung
schwächer und man dürfte vielleicht für sie, wie es Grieshaber
für sämmtliche vier Figuren gethan hat, eine andere Hand an-
nehmen1). Während in dem rechten Seitenflügel an den beiden
Gestalten ein gesuchter Wechsel zu erkennen ist: in der Pro-
filirung, im Standbein, in der Haltung der Hände, herrscht in
dem Linken eine unangenehme Gleichmässigkeit. Dass ausser
der technischen Arbeit auch die Coinposition der Figuren in
diesem Seitenflügel schwächer ist als im Mittelbilde, deutet auf
eine gewisse Freiheit, die dem helfenden Künstler eingeräumt
worden sein muss. Doch ist es andererseits nicht unmöglich, dass
für diese Figuren in einer ältern Abbildung ein Vorbild vor-
lag, das wenigstens theilweise benutzt werden musstc.

Die Gruppe der vier Evangelisten in der Predella verdient
eine ganz besondere Beachtung. Es sind äusserst lebensvolle
Gestalten in sprechender Bewegung, die nur beim Evangelisten
Matthaeus in's Outrirte ausartet. Man meint Figuren aus des
Künstlers eigener Umgebung vor sich zu sehen; so lebensvoll
als wären sie eben eingetreten in die Laube und dort zum
Bilde gebannt worden. Wie Dürer bei seinen Evangelisten in
der münchener Pinakothek möglicherweise die vier Temperamente

Förster in seiner Geschichte der deutschen Kunst spricht die Meinung aus,
dass sich die deutsche Sculptur nie von der Farbe habe befreien können
und dass dadurch die übertriebene Charakterisirung der Figuren noth-
wendig wurde. Der Seitenblick, den er bei dieser Gelegenheit obendrein
noch auf die aegyptische Kunst wirft, die sich ebenfalls nicht von der Farbe
habe lossagen können, ist doch ein sehr schiefer.

') Man betrachte das wirklich hölzerne rechte Hein des heil. Protasius.
Das ist entschieden Schülerarbeit. Wenn auch bekleidet, hätte es dennoch
eine bessere Modellirung erfordert.
 
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