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Holz, von denen weiter unten ebenfalls die llede sein wird, ganz aus un-
gefasstem Schnitzwerke bestehend, enthält der Altar vier, oder wenn man
will, fünf Thcile: das mittlere grosse Ilaupthild; zwei Flügel; unter jenem
gerade hinter der Altarplatte, eine Figurengruppe; endlieh ober dem
Hanptbilde thurmartige Aufsätze mit durchbrochenen Nischen, in denen
sich Figuren befinden.
Das II a u p t b i 1 d, wie es bei dergleichen älteren Altarbildern gewöhn-
lich ist, in einem, hierdurch drei Bogen symmetrisch gewölbten Kasten be-
findlich, stellt in kolossaler Grösse die Krönung der Jungfrau Maria dar
und hat in Erfindung und Behandlung mit Baidung Grün's Gemälde im
Freilmrgor Münster eine so auffallende Aehnlichkeit, dass ich versucht bin
zu glauben, es sei unserm Bildhauer des Malers Arbeit bei der seinigen,
wahrscheinlich kaum zehn Jahre später vollendeten, nicht unbekannt ge-
wesen, ohne dass jedoch derselbe, wie wir sehen werden, auf Originalität
verzichtet hätte. Ich verweise demnach auf Schreibers Beschreibung
dieses Gemäldes*) und bemerke blos, worin beide Kunstwerke sich von
einander unterscheiden.
Bei Baldung empfängt die, auch bei ihrer Verherrlichung demuths-
volle, Jungfrau die Krönung knicend und mit gefalteten Händen. Unser
Meister aber stellte sie, wie es die Verschiedenheit seiner Kunst wohl
nöthig machte, weil die Figur der Maria beim Knioen sonst zu weit vor-
wärts gekommen wäre, auf einem zwar erhöhten, aber ihres faltenreichen
Gewandes wegen nicht sichtbaren Throne sitzend dar, und die kreuzweis
über der Brust liegenden Hände, und der überaus anspruchslose Blick der
Verherrlichten drücken hier aus, was dort der Maler auf andere Weise
andeutet. Hie Kronen, sowohl der Krönenden, als der Gekrönten, sind,
der Bauart des Tempels und dem Stile des Altars mehr entsprechend,
thurmartig, aber keine Tiaren, wie man sie bei Darstellung ähnlicher Ge-
genstände auf älteren Holzschnitten**) wohl bisweilen findet. Auch ist
unser Künstler in Hinsicht der Attribute der göttlichen Personen dem her-
*) Das Münster zu Freiburg im Hreisgau, in: Denkmale deutscher ltaukunst,
Sites Textheft S. 38. Der leichteren Vergleichiing «regen setze icli die Stelle hieher:
„Das Ilaupthild Regen den Chor enthält die Himmelfahrt oder vielmehr die Kr.i-
„nung der Jungfrau Maria als Gegenstand. Maria kniet in der Mitte des Bildes,
„die abwärts gekehrten Hände gefaltet, das Haar gescheitelt und in Locken herah-
„vvallend, das Gewand Goldstoll'. Links von ihr sitzt Gott-Vater, rechts Christus,
„beide in blassrothem Oberkleide, mit der einen Hand die Krone über das Haupt
„der Maria haltend, in der andern Kcepter und Weltkusel tragend. Leber der Jung-
frau sehwebt der heilige Geist; Kugel, auf verschiedenen Musik-Instrumenten spie-
lend, umgeben die Gruppe; seihst der Hintergrund bildet ein Wolkenmeer, aus
„dem einzelne lichte streifen, wie Eilande, hervortreten, die bei näherer Betrachtung
„wieder nichts sind, als mehr .....I mehr in der ferne verschwindende Engels-
„gestalten".
**) So erscheint z. B. auf einein ÜUrer'sehen Kupferstiche Gott-Vater mit der
päpstlichen Tiare. Siehe Heineckens neue Nachrichten von Künstlern und Kunst-
sachen. Dresden und Leipzig 178«. 8vo. I. Th. 8. 177.
Holz, von denen weiter unten ebenfalls die llede sein wird, ganz aus un-
gefasstem Schnitzwerke bestehend, enthält der Altar vier, oder wenn man
will, fünf Thcile: das mittlere grosse Ilaupthild; zwei Flügel; unter jenem
gerade hinter der Altarplatte, eine Figurengruppe; endlieh ober dem
Hanptbilde thurmartige Aufsätze mit durchbrochenen Nischen, in denen
sich Figuren befinden.
Das II a u p t b i 1 d, wie es bei dergleichen älteren Altarbildern gewöhn-
lich ist, in einem, hierdurch drei Bogen symmetrisch gewölbten Kasten be-
findlich, stellt in kolossaler Grösse die Krönung der Jungfrau Maria dar
und hat in Erfindung und Behandlung mit Baidung Grün's Gemälde im
Freilmrgor Münster eine so auffallende Aehnlichkeit, dass ich versucht bin
zu glauben, es sei unserm Bildhauer des Malers Arbeit bei der seinigen,
wahrscheinlich kaum zehn Jahre später vollendeten, nicht unbekannt ge-
wesen, ohne dass jedoch derselbe, wie wir sehen werden, auf Originalität
verzichtet hätte. Ich verweise demnach auf Schreibers Beschreibung
dieses Gemäldes*) und bemerke blos, worin beide Kunstwerke sich von
einander unterscheiden.
Bei Baldung empfängt die, auch bei ihrer Verherrlichung demuths-
volle, Jungfrau die Krönung knicend und mit gefalteten Händen. Unser
Meister aber stellte sie, wie es die Verschiedenheit seiner Kunst wohl
nöthig machte, weil die Figur der Maria beim Knioen sonst zu weit vor-
wärts gekommen wäre, auf einem zwar erhöhten, aber ihres faltenreichen
Gewandes wegen nicht sichtbaren Throne sitzend dar, und die kreuzweis
über der Brust liegenden Hände, und der überaus anspruchslose Blick der
Verherrlichten drücken hier aus, was dort der Maler auf andere Weise
andeutet. Hie Kronen, sowohl der Krönenden, als der Gekrönten, sind,
der Bauart des Tempels und dem Stile des Altars mehr entsprechend,
thurmartig, aber keine Tiaren, wie man sie bei Darstellung ähnlicher Ge-
genstände auf älteren Holzschnitten**) wohl bisweilen findet. Auch ist
unser Künstler in Hinsicht der Attribute der göttlichen Personen dem her-
*) Das Münster zu Freiburg im Hreisgau, in: Denkmale deutscher ltaukunst,
Sites Textheft S. 38. Der leichteren Vergleichiing «regen setze icli die Stelle hieher:
„Das Ilaupthild Regen den Chor enthält die Himmelfahrt oder vielmehr die Kr.i-
„nung der Jungfrau Maria als Gegenstand. Maria kniet in der Mitte des Bildes,
„die abwärts gekehrten Hände gefaltet, das Haar gescheitelt und in Locken herah-
„vvallend, das Gewand Goldstoll'. Links von ihr sitzt Gott-Vater, rechts Christus,
„beide in blassrothem Oberkleide, mit der einen Hand die Krone über das Haupt
„der Maria haltend, in der andern Kcepter und Weltkusel tragend. Leber der Jung-
frau sehwebt der heilige Geist; Kugel, auf verschiedenen Musik-Instrumenten spie-
lend, umgeben die Gruppe; seihst der Hintergrund bildet ein Wolkenmeer, aus
„dem einzelne lichte streifen, wie Eilande, hervortreten, die bei näherer Betrachtung
„wieder nichts sind, als mehr .....I mehr in der ferne verschwindende Engels-
„gestalten".
**) So erscheint z. B. auf einein ÜUrer'sehen Kupferstiche Gott-Vater mit der
päpstlichen Tiare. Siehe Heineckens neue Nachrichten von Künstlern und Kunst-
sachen. Dresden und Leipzig 178«. 8vo. I. Th. 8. 177.