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VI. ZUR KUNSTGESCHICHTE STUTTGARTS LXIII

schichte begegneten, und dem wir vermutungs- und fragweise das bekannte Er-
bärmdebild mit dessen Stifter, dem Ulmer Münsterpfleger Heinrich von Haun-
stetten zugeteilt haben.1 Jedenfalls spricht eine Berufung des Ulmer Meisters durch
Graf Ulrich an den württembergischen Hof dafür, daß dieser Maler damals
einer der anerkannten und besten Künstler der Donaustadt gewesen sein muß.
Zu Stuttgart besaß er freie Wohnung und genoß Steuerfreiheit; hier in der
württembergischen Residenz scheint er sich während des achten Jahrzehnts
dauernd aufgehalten zu haben, da er sich in einer, dem Hof 1478 ausgestellten
Quittung geradezu als „maier zu Stutgardt" bezeichnet.

Die engen Beziehungen zwischen hier und Ulm setzten sich in den 80er Jahren
mit seinem Sohn Ludwig Fries d. J. fort, einem Bruder des Ulmer Goldschmieds
Jakob Fries, ebenso in Jakob Rembolt, einem zweiten Maler der kunstberühmten
Reichsstadt und Schwager des dortigen Künstlers und Dürerfreundes Conrad
Merklin, der 1480 in den württembergischen Hofdienst trat (vermutlich bei Eber-
hard d. J.), zu Stuttgart das Bürgerrecht erwarb, anscheinend auch für das
Augustinerkloster zu Eßlingen tätig war und als sehr vermöglicher Künstler 1501/02
in der Residenzstadt aus dem Leben schied (s. u. über seine Arbeiten).
Zeitweise wohnte mit ihm im gleichen Haus sein Landsmann Ludwig Fries d. J.
zusammen, der bald jahrelang in Ulm, sonst aber hauptsächlich in der Herzogstadt
seine Werkstatt aufschlug und jedenfalls als bedeutender Meister betrachtet werden
muß, der 1496 den Allerheiligenaltar für das Kloster Lorch malte und den ich
oben (unter Ulm) als Verfertiger des mit L. F. signierten Tafelgemäldes von 1502
aus dem Augsburger Katharinenkloster (Abb. 4) ansprach. Aus dürftigen Rechnungs-
einträgen wissen wir, daß Fries d. J., der im ersten Jahrzehnt Hausgenosse oder
-nachbar des Stiftsherrn Eberhard Keck, im zweiten ein solcher des bekannten
württembergischen Baumeisters Aberlin Jörg war, von der Stadt zahlreiche Auf-
träge, meist aber nur handwerklicher Art erhielt, auch einmal eine Visierung her-
zustellen, ein andermal eine Sau und Gans zum städtischen Hahnentanz zu malen
hatte. Als er 1519/20 aus dem Leben schied, scheinen seine Vermögensverhältnisse,
was in den damaligen Kunstzuständen begründet ist, nicht in bestem Stand ge-
wesen zu sein, da die Franziskanerinnenklause die Hand auf sein Haus im Turner-
acker legte und die Einlösung der Schuldverbindlichkeiten des toten Meisters nur
durch das Einstehen der Erben aufgehoben werden konnte. Sein Sohn Peter, der
neben ihm seit 1514 ebenfalls als Maler tätig war, scheint dem Vater im Tod
bereits vorausgegangen zu sein.

Ohne auf ihre Zeitgenossen, die Maler Lienhard Ernst (1493—1507/08) und Hans
Fridlin (1507—50) des nähern einzugehen, die beide augenscheinlich über das
Handwerkliche ihrer Kunst nicht hinausgelangten und von denen sich der letztere,
ein ehemaliger Ulmer Malergeselle, nachweislich wenigstens als Freskenmaler zu
Stuttgart wie im Chor der Herrenberger Stiftskirche betätigte,2 wenden wir uns
dem aus Horb gebürtigen Jörg Boden zu (1499—1551), einem Tafel- und Wand-
maler, der mit einigen Unterbrechungen über vierzig Jahre hier bürgerlich saß,

1. München, Ältere Pinakothek, Kat. 1925, p. 172, Nr. 1362.

2. Siehe Qu. 221. „Von dem gemeldt hinter dem fronaltar."
 
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