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Rott, Hans
Quellen und Forschungen zur südwestdeutschen und schweizerischen Kunstgeschichte im XV. und XVI. Jahrhundert (Band 3, Text) (enthält: Gesamtverzeichnis der Künstler und Kunsthandwerker bearb. von Gustav Rommel) — Stuttgart, 1938

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https://doi.org/10.11588/diglit.2022#0057

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ST R ASS BURG 49

Infolge der Bedeutung und des Einflusses von Hans Baidung Grien im XVI. Jahr-
hundert hat man sich, von jeher anscheinend, daran gewöhnt, in Straßburg während
der vorangegangenen Epoche, unter Nachstellung Basels bei Absehung der uni-
versellen, einmaligen und überragenden Wirksamkeit seines großen Bürgers und
Künstlers, des gleich Holbein aus dem Schwabenland und vom ßodensee dahin ein-
gewanderten Conrad Witz, den Vorort für oberrheinische Kunst und Geisteskultur
zu sehen, einen Wallfahrtsort in höherem Sinne, nach dessen Meisterwerkstätten
Gesellen pilgerten, um später ihre erworbenen Kenntnisse und künstlerischen Fähig-
keiten in andere Städte des weiten Oberrheingebietes hinauszutragen und am je-
weiligen Ort zu verwerten, zu verbreitern und weiterzubilden.

Daß am Mittelpunkt eines wirtschaftlich blühenden und politisch so starken und
klugen Gemeinwesens, wie es die freie Reichsstadt Straßburg war, die Kunst wie das
Kunstgewerbe einen bedeutenden Bang einnahmen und daß deren Vertreter hier
einen sicheren, Erfolg und Ruhm versprechenden Wirkungskreis auch tatsächlich
fanden, bekunden ausdrücklich die heimischen humanistischen Schriftsteller und er-
weisen, wie zu Basel, unmittelbar und überzeugend die endlosen Reihen der Maler,
Bildhauer, der Goldschmiede wie der übrigen Kunsthandwerker, die Werkstatt und
Verkaufsladen daselbst auf taten, so daß auch ohne bisherigen wissenschaftlichen
Nachweis jene Vorstellung von Straßhurgs führender Stellung in Kunstsachen
während des ausgehenden Mittelalters in Wirklichkeit zu Recht besteht.
Gleichwohl muß die Forschung gerade hier noch emsigen Fleiß daransetzen und
hingebende Kleinarbeit verrichten, gleich jener, die spärliche Goldkörnchen aus Sand-
mengen des Rheins schöpft, um den Entwicklungsgang und die tatsächliche Be-
deutung der Kunst in der oberrheinischen Reichsstadt und die Wirkung ihrer
Meister in die Nähe und Ferne überzeugend darzulegen und schließlich in klarem
Zusammenhang zu schildern. Nach erstmaliger gewissenhafter Aufdeckung der zahl-
reichen Meisternamen wäre es vermessen, sich jetzt schon an letztere Aufgabe heran-
zuwagen, zu der es noch einer ganzen Forschergeneration bedarf: zunächst genüge
es. die Künstler epochenweise in Gruppen zu ordnen, nach Möglichkeit Führer-
gestalten zu benennen und sie kunst- wie stilgeschichtlich deutlicher zu umreißen.
Wer im Dickicht eines noch wenig erforschten Gebietes wissenschaftliches Neuland
erobern möchte und nun daran gehl, zwecks Aufhellung der Kunstzustände Straß-
burgs und anderer wichtiger Nachbarorte wie zwecks Heraushebung ihrer schöpfe-
rischen Persönlichkeiten, richtunggebende Pfade vorläufig anzudeuten und selbst
einige Wegweiser aufzurichten, dem mag es nachgesehen sein, wenn er hie und da,
notgedrungen und mangels überzeugenden Dokuments und sichern Werkes, aus /Ab-
neigung vor einem nur stilkritischen, unlebendigen Sortierungsverfahren, zunächst mit
frageweisen Vermutungen vorbehaltlich weiter vorzudringen versucht.1

1. Wer gegenüber solchem eindringenden Vorgehen selbsl kein tatsächliches Resultat vorzubringen
oder eine einstweilige Annahme auch nur halbwegs zu widerlegen außerstande ist, pflegt in be-
quemem, nicht eben wissenschaftlichem Verfahren auf die Zukunft abzustellen, in der dann zahl-
reiche derartige „Versuche" sich als hinfällig erweisen würden. Vorerst, aber wollen wir, allen un-
fruchtbaren Skeptizismen und Abstraktionen zum Trotz, in unserer heimischen Kunstcrforscliung
und -erkenntnis weiterkommen. — Recht verdienstlich ist der erste Versuch von J. Futterer, in die

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