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Dürer, Albrecht; Rupprich, Hans [Hrsg.]
Schriftlicher Nachlaß (Band 2): Die Anfänge der theoretischen Studien ; das Lehrbuch der Malerei: von der Maß der Menschen, der Pferde, der Gebäude ; von der Perspektive ; von Farben ; ein Unterricht alle Maß zu ändern — Berlin, 1966

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https://doi.org/10.11588/diglit.29732#0395

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F. 3. b. PERSPEKTIVA ARTIFICIALIS NR. 3, 4

[Fol. Q3b]

Item noch ein anderen brauch zu conterfeten, dar-
durch man eyn ytlichs corpus mag grosser oder
kleyner abconterfeten wie vil man wil, deshalben
nutzlicher dann mit dem glas, darumb das es freier
5 ist1. Darzu soll man haben ein ram mit einem gitter
von starckem schwartzen zwirn gemacht, die lucken
oder fierungen eine vngeferlich zweyen finger breyt.
Darnach soll man haben ein absehen oben zuge-
spitzt, also gemacht, das man es hoher oder niderer
10 richten mag. Das bedeut das aug mit dem o. Dar-
nach leg hinaus in zimlicher weitten daz corpus,
so du conterfeten wilt, rucks vnd peugs nach deinem
willen, vnnd gee alweg hindersich vnd hab dein aug
zu dem absehen o negst daran, vnd besich das cor-
15 pus, wie es dir gefall, vnnd ob es recht nach deinem
willen lig. Darnach stell daz gitter oder ram zwi-
schen dem corpus vnd deinem absehen also: Wilt
du wenig lucken oder fierungen begreiffen, so ruck
es dest neher zu dem corpus. Darnach besich, wie
20 vil daz corpus im gitter lucken begreuf nach leng
vnnd breyten. Darnach reiß ein gitter gros oder
klein auf ein bappir oder tafel, darein du conter-

feten wilt, vnd sich hin vber dein aug o des spitz
am absehen auf das corpus. Vnd was du in yder
fierung des gitters findest, das drag in dein gitter, 25
das du auf dem bappir hast. Das ist gut vnd gerecht.
Wilt du aber fur das spitzig absehen ein lochle
machen, dardurch du sihest, ist eben so gut. Solcher
meynung hab jch hernach ein form aufgerissen.

[Q4a] Item ob einer von einem kleinen bild einen 30
grossen risen an ein hohen thuren wand wolt malen2,
solt man dann so vil bappir zusamen leumen, das gros
genug würde zu einem gitter? Wer verdrossen3 vnd
vngebrauchsam. Darumb mach kein gros gitter von
bappir, sonder schneyd groß quadraten auß bappir, 35
als gros die fierungen in deinem gitter solten seyn
worden. Darnach mach eyn fierung nach der andern
auß, wie daforn angezeygt ist. Verzeychen die fie-
rungen, wie sie nach einander gehoren. Darnach leg
sie zusamen wie ein kartenspil, vnd so du an die 40
mauren kumbst, magstu eyn plat nach dem andern
auß machen vnd darffst den risen nicht, wie sonst
not ist, gantz verzeychnen4.

ANMERKUNGEN

1 Diese vierte Vorrichtung Dürers erscheint in der Kunst-

literatur zum ersten Male bei L. B. Alberti in dessen
„Drei Biichern über die Malerei“ I. Die Beschreibung

und Gebrauchsanweisung gelten als Muster ihrer Art:
„Man nimmt einen ganz feinen, dünn gewebten Schleier

von beliebiger Farbe, welcher durch stärkere Fäden in
eine beliebige Anzahl von Parallelogrammen geteilt ist;
diesen Schleier bringe ich nun zwischen das Auge und

die gesehene Sache, so daß die Sehpyramide infolge der
Dünnheit des Gewebes hindurchzudringen vermag.“
Der erste Vorteil des Schleiers ist, daß vermöge dessel-
ben der Körper dem Zeichner stets die gleiche Ansicht
zukehrt. „Ein anderer Vorteil wird der sein, daß es dir
mit Hilfe des Schleiers leicht werden wird, die Umfangs-
linien der dir (von einem Körper) zugewendeten Flä-
chen festzustellen. Erblickst du nämlich in diesem Par-

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