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Dürer, Albrecht; Rupprich, Hans [Hrsg.]
Schriftlicher Nachlaß (Band 3): Lehre von menschlicher Proportion: Entwürfe zur Vermessungsart der Exempada u. zur Bewegungslehre ; Reihschriftzyklen ; der Aesthetische Exkurs ; die Unterweisung der Messung ; Befestigungslehre ; Verschiedenes — Berlin, 1969

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https://doi.org/10.11588/diglit.29733#0271
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F. DER ÄSTHETISCHE EXKURS

F. DER ÄSTHETISCHE EXKURS

Na Adern Dürer im dritten BuA die Mittel gezeigt hat, um die im ersten und zweiten BuA aufgeführten
Typen zu variieren, führt er zum Schluß des dritten BuAes in der Dru&ausgabe der Lehre von mensAliAer
Proportion 1528 in einem langen Exkurs noA aus, was er mit seinen Proportionsstudien eigentliA wollte
und wie er sie prinzipiell begründe.
Dieser sogenannte Ästhetische Exkurs war an dieser Stelle insofern gut am Platze, als dieses dritte BuA
mit seinen Veränderungen den ästhetisAen Prinzipien Dürers am stärksten gegenüber steht und weil es
wegen seiner komplizierten Konstruktionen für die Praxis der bildenden Künstler am wenigsten Bedeu-
tung gewann.
Dürers BesAäftigung mit dem Schönen ist so alt wie seine künstlerische Betätigung. Sie war anfangs wohl
hauptsächliA spätgotisch praktischer und gefühlsmäßiger Art. Bei Beginn seiner theoretisAen Studien und
den näheren Kontakten mit humanistischen Freunden wurde sie in die Sphäre des Bewußten gehoben und
es setzt das NaAdenken ein über das Wesen des Schönen und die Gestaltungsmöglichkeiten besonders der
sAönen MensAen. Eine große Rolle dabei spielten gewiß die zahllosen GespräAe über Kunstfragen, die
Dürer namentliA mit Pir&heimer geführt hat*, deren Tatsache wohl bekannt ist, über deren genaueren
Inhalt siA aber in den seltensten Fällen etwas Näheres ergründen läßt. Ein Beispiel, wo dies ansAeinend
noA mögliA ist, hängt mit Dürers Gestaltung eines antiken Stoffes zusammen.
In den Jahren 1504/0$ bekam Dürer durch Pirckheimer Kenntnis von der durch Lukian gegebenen Schil-
derung des im Altertum hoAberühmt gewesenen Bildes einer Kentaurenfamilie des Zeuxis. Die Bild-
besAreibung steht in der Vorrede „Zeuxis oder Antiochus" zu Lukians zweiter Vorlesung in Mazedonien
und lautet: „Auf einem Rasen vom schönsten Grün liegt die Kentaurin, mit dem ganzen Teile, woran
sie Pferd ist, auf dem Boden, die Hinterfüße rückwärts ausgestre&t: der obere weibliche Teil hingegen hebt
siA sanA in die Höhe und ist auf den einen Ellbogen gestützt. Aber die Vorderfüße sind nicht ebenfalls
gestre&t, als ob sie auf der Seite liege; sondern der eine scheint mit rückwärts gebogenem Hufe auf dem
Knie zu ruhen, der andere hingegen ist im Aufstehen begriAen, und stemmt sich gegen den Boden, wie es
die Pferde zu maAen pAegen, wenn sie vom Boden aufspringen wollen. Von ihren beiden Jungen hält sie
das eine in den Armen, und reiAt ihm die Brust; das andere hingegen liegt unter ihr, und saugt wie ein
Fohlen. Uber ihr zeigt sich von einer Anhöhe ein Kentaur, der ihr Mann zu sein scheint, aber nur bis zur
Hälfte des Pferdes sichtbar ist: er schauet freundlich lachend auf sie herab, indem er in der einen Hand
den Welfen eines Löwen empor hält, als ob er seine Kleinen zum Scherz damit erschre&en wolle."
Dürer entwarf daraufhin die zwei Federzeichnungen „Kentaurin ihre Jungen säugend" (W 344) und
„Kentaurenfamilie" (W 345). Beide Zeichnungen sind Vorarbeiten zum KupferstiA „Satyrfamilie" von
1505 (T 27$). Im Stich hat Dürer aus dem Kentaur einen Satyr gemaAt und bei der Frau die Hörner
weggelassen. Die motivische Abhängigkeit des Kupferstiches von der Bildbeschreibung wurde bereits durA
Thausing (I, S. 320) bemerkt und ist seither allgemein anerkannt.
Aber diese Bekanntgebung des Motives und StoAes einer Familienidylle aus dem Bereiche der Tiermenschen
ist nur der eine Teil dessen, was Dürer durA Pirckheimer erfuhr. Stellt man siA die Vermittlung so vor,

* Pirckheimer übersetzte um 1511 Lukians „Charidemus oder über die Schönheit" oder plante zumindest eine Über-
tragung dieses Gespräches. Vgl. W. Pirckheimers Briefwechsel II (1956)' S. 100.

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