Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Saxl, Fritz; Meier, Hans; Bober, Harry [Editor]
Verzeichnis astrologischer und mythologischer illustrierter Handschriften des lateinischen Mittelalters (3,1): 3. Handschriften in englischen Bibliotheken — London: The Warburg Institute, University of London, 1953

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.56704#0032
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
XXVIII

Einleitung

ihm (im Sinn der Stern-Sage) auf die Bärin und hebt die Waffe gegen sie. —
Das zweite Bild knüpft an die traditionelle Hygin-Darstellung an, versucht
aber, sie zu verlebendigen. Der Sternenkreis, die übliche Darstellung der
Corona, wird von einer Frauengestalt gehalten, die ein Szepter trägt
fvgl. Fig. 6) und die im Digby-Codex sogar unter einem Baldachin stehend
dargestellt ist.28 Am griechisch-römischen Globus ist für die Gestalt einer
Frau neben der Corona kein Platz. Der Zeichner ging hier wohl ebenfalls
über sein Vorbild hinaus, um nicht nur das Sternbild, sondern auch den
zugehörigen Mythos anzudeuten. Die Gestalt, die die Krone hält, wäre
dann als Ariadne aufzufassen, die die Krone von Liber Pater als Geschenk
erhält. — Die sonderbare Darstellung des Fuhrmanns, dem gleichsam aus
der Schulter ein Tierkopf herauswächst (Taf LXIX, Abb. 172),29 finden
wir in einer Hygin-Handschrift (Vat. lat. 3110) des 14. Jahrhunderts
wieder30: Hier hält ein Mann im ,,modernen“ Gewand auf der aus-
gestreckten Linken einen Bock, der sich zu einem zweiten auf der Schulter
des Mannes sitzenden wendet.31 Das Mißverständnis endlich, daß Hercules
hier einen geflügelten Drachen hält,32 klärt sich auf, sobald wir die Hercules-
Darstellung jenes Hygin-Codex betrachten, den wir schon zur Erklärung
des Bärentreibers herangezogen haben. Dort hält nämlich der Heros ein
groteskes Löwenfell mit langem wegflatterndem Schwanz über dem Arm —
der englische Zeichner konnte ein ähnliches Vorbild leicht als Drachen
mißverstehen.33 Das Cicero-Fragment wurde also nach Hygin zu einem
28 Abb. bei J. MILLAS VALLICROSA, Assaig d'Histöria de las idees fisiques i
matemätiques a la Catalunya Medieval, VoL I (Estudis Universitaris Catalans, Serie
Monogräfica I: Barcelona 1931), Lamina XX.
29 Im Bodl. Ms. 614 ist nicht zu erkennen, um welches Tier es sich handelt, der
Zeichner des Digby-Codex hat ihm dagegen lange Hörner gegeben.
30 SAXL, Verzeichnis I, S. 88ff. Derselben Klasse gehören eine Anzahl späterer,
namentlich italienischer Hygin-Handschriften, wie Vat., Urb. lat. 1358, an (Siehe unten
S. LIII).
31 In der anderen Hand hält der Fuhrmann die Geißel, die er aber nach oben hält,
während auf unseren Bildern die Geißel nach unten zeigt. Das Bild des Fuhrmanns im
Hygin in St. Paul im Lavanttal (Cod. XXV/4. 20) zeigt zwar nicht dieses Heraus-
wachsen des Tieres aus dem Körper des Mannes, wohl aber die nach unten gekehrte
Peitsche. Dieses Bild läßt auch erkennen, aus welcher antiken Gewandform der Mantel
der englischen Handschriften-Bilder entstanden ist.
32 Abb. bei MILLAS VALLICROSA, a. a. O., Lamina XX.
33 Die sich umschlingenden Zwillinge finden wir im Wolfenbütteler Hygin (18. 16,
Aug. 4°, Bl. 16v), Andromeda mit bekleidetem Unterkörper und nackter Brust im
Wiener Cod. 51 (SAXL, Verzeichnis II, S. 69ff.). Wenn Orion im Bodl. Ms. 614 (Taf.LIX,
Abb. 151) eine Keule statt des Schwertes hält, das ihm in der Gruppe des Harley Ms. 647
(Taf.LX, Abb. 154) wie auch im Digby Ms. 83 (Taf.LIX, Abb. 152) als Attribut bei-
gegeben wird, so kann diese Veränderung des Attributs ebenfalls auf eine Hygin-Hand-
 
Annotationen